Amie Kaufman & Jay Kristoff: Aurora erwacht (Buch)

Amie Kaufman & Jay Kristoff
Aurora erwacht
(Aurora Rising, 2019)
Titelbild: Charlie Bowater
Übersetzung: Nadine Püschel
Sauerländer, 2021, Paperback, 492 Seiten, 15,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Sie sind die Hoffnung und die Helden ganzer Planeten. Die Rede ist von den Crews der Space Academy. Jahrelang werden sie von der Aurora Legion ausgebildet, müssen lernen und trainieren. Am Tag der Auslese können sich die Squad Leader ihre Mannschaft auswählen - der mit der besten Abschlussnote bekommt natürlich das erste Zugriffsrecht. Und Tyler ist der Beste - überall, in jedem Fach. Dass er just in der Nacht vor der Auslese nicht schlafen kann und, natürlich höchst illegal, einen Ausflug in die Raumfalte unternimmt, erweist sich als - schicksalsträchtig.

Inmitten der Abkürzung zwischen den Sternen, die allein interstellare Reisen ermöglicht, findet er ein seit 200 Jahren dort verschollenes Schiff - an Bord, neben all den Toten in ihren Cryo-Kapseln: ein junges, lebendiges Mädchen.

Dass er ein Held ist, dass er einem Menschenkind das Leben gerettet hat zählt kaum, ist die Auslese doch, bis er wieder auf den Beinen ist, vorbei. Übrig bleiben die, die niemand sonst gewollt hat: die Loser, die Unfähigen, die im Umgang schwierigen Abgänger der Academy. Als Alpha muss Tyler aus diesen ein Team formen - seine Squad 312.

Dann findet er gleich beim ersten Einsatz einen blinden Passagier an Bord: Aurora, das gerettete Mädchen - die vom menschlichen Geheimdienst gejagt wird.

Warum nur ist der GIA hinter einer jungen Frau her, die die letzten 200 Jahre in der Falte im künstlichen Schlaf verbracht hat? Hat es vielleicht damit zu tun, dass Aurora berichtet, sie sei auf dem Weg zu einem inzwischen hermetisch abgeschotteten Sternensystem gewesen, auf dessen dritten Planeten eine menschliche Ansiedlung existiert hat? Ein System, dessen Betreten die interstellare Gemeinschaft mit dem sofortigen Tod bestraft, das aus den offiziellen Analen gelöscht wurde, von dessen Kolonialisierung nirgends mehr etwas verzeichnet ist. Was nur ist hier passiert?

Dass der sie verfolgende Kreuzer der TDF die Waffen scharf macht dokumentiert überdeutlich, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Als Aurora mittels Telekinese - einer Kraft, die es im Universum eigentlich gar nicht gibt - einige GIA-Agenten killt, ist jeder Rückweg versperrt.

Jetzt gilt es, das Geheimnis hinter dem Mädchen, dem gesperrten System und der GIA zu lüften, auch wenn dies Desertieren heißt und sie erst so richtig in die Bredouille kommen…

 

Amie Kaufman und Jay Kristof haben bereits bei der „Ilumina“-Trilogie zusammengearbeitet (auf deutsch sind bei dtv allerdings nur zwei Bände erschienen). Mit vorliegendem Roman, dem sie im englischsprachigen Raum bereits einen zweiten Titel haben folgen lassen, entführen sie uns erneut in die Weiten des Alls.

Und sie haben Vieles richtig gemacht:
Ein junges, unerfahrenes Team aus interessanten Außenseitern und Tunichtguten, die langsam zu einer schlagkräftigen Gemeinschaft zusammenwachsen - check.
Ein vor Jahrmillionen verschollenes Volk, das die Wächter-Rolle vor einer dunklen, existenziellen Bedrohung über die Äonen delegiert - check.
Raumschlachten und finstere Verschwörungen - check.
Raumstationen und ein riesiges, von Ganoven bevölkertes Habitat im Leerraum - check.
Ein Planet, auf dem etwas Böses lauert - check.
Ein klein wenig Romantik - check.
Und jede Menge schwieriger Entscheidungen sowie ein herber Verlust - check.

Schlicht ausgedrückt: eigentlich potentielles Bestseller-Material, zumal uns die gute Übersetzung den lakonischen, selbstironischen Tonfall der Dialoge wunderbar vermittelt. Dazu trägt auch bei, dass in jedem Kapitel ein anderer aus der Crew die Rolle des Erzählers oder der Erzählerin übernimmt und wir auf diese Art eine sehr vielfältige, gleichzeitig ebenso abwechslungs- wie facettenreiche Einsicht in die Geschehnisse erhalten.

Natürlich muss die doch komplexe Grundanlage der Handlung nach und nach in Info-Dumps vermittelt werden, nimmt der Zufall breiten Raum ein und greifen die Autoren auf klassische Klischees, wie zum Beispiel das des Gangster-Fürsten, zurück. Doch das Gemisch stimmt. Flüssig und spannend läuft die Handlung ab, der Plot präsentiert sich temporeich und überraschend, die Figuren sind der Zielgruppe angepasst.

„Aurora reist“ ist ein munteres und rasant zu lesendes Weltraum-Abenteuer voller Action und Dramatik, das neugierig darauf macht, wie die Handlung im nächsten Band fortgesetzt wird.