Benedict Jack: Der Meister von London (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 04. Januar 2021 20:04
Benedict Jack
Der Meister von London
Alex Verus 5
(Hidden, 2014)
Übersetzung: Michelle Gyo
Titelbild: Max Meinzold
Blanvalet, 2020, Taschenbuch, 416 Seiten, 9,99 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Gestatten, Alex Verus der Name - von Beruf Wahrsager. Ja, jetzt meinen Sie, dass Sie mich kennen würden - Horoskope, billige Vorhersagen, bestenfalls Raten auf hohem Niveau, meinen Sie. Falsch, ganz falsch von Ihnen geraten - ich sehe Zukünfte. Je nachdem, welche wahr wird, verzweigen diese wieder. Zukünfte, die mich als Magier in einer Gesellschaft, die mich ausschließt, gerade ziemlich beunruhigen.
Der Rat der Weißmagier hat mich allenfalls als misstrauisch geduldeten Magier abgestempelt, die Schwarzmagier sind mir nach wie vor böse, dass ich erst meinem damaligen Meister - einem der mächtigsten Schwarzmagier der Welt - entkommen bin, dann mit dem Weißen Rat zusammengearbeitet und schließlich meine ehemaligen Mitschüler getötet habe. Nicht die einzigen Opfer, die auf meinem Gewissen lasten. So reduziert sich die Zahl meiner so schon wenigen Freude rapide, meine Unterstützer werden auch immer weniger - und dies just, da eine der wenigen Freundinnen, die ich noch habe, verschwindet.
Die Spur der Lebensmagierin Anne - unsere Beziehung ist gerade ein ganz klein wenig kompliziert -, führt mich in das Schattenreich des Schwarzmagiers Sagash.
Und hier treffe ich unglücklicherweise auf alte Bekannte: Crystel etwa, die schon einmal, um unsterblich zu werden, versucht hat Anne zu ermorden oder Richard, meinen einstigen Meister, den wohl mächtigsten aller Schwarzmagier. Sie alle versuchen mich unter Druck zu setzen, zu verführen oder umzubringen (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge) - doch ich weiß, dass ich nur, wenn ich mir selbst treu bleibe, eine verschwindend geringe Chance habe, zu überleben.
Der fünfte Band der mittlerweile bislang im Original 10teiligen Reihe präsentiert uns eine gewisse Zäsur. Nicht länger steht das phantastische London mit seiner magischen Gesellschaft als Handlungsort im Zentrum, der Plot verlagert sich in ein hermetisch abgeschlossenes, magisches Refugium mit einer riesigen Burg als Schauplatz. Auch der bislang immer wieder durchscheinende dunkle Humor tritt vorliegend in den Hintergrund.
Jacka nutzt die Gelegenheit, die sich aus der neuen - allerdings kaum näher beschriebenen - Bühne ergibt, um seine Charaktere weiter auszubauen. Die innere Motivation Verus', aber auch die Gemütslage seiner wenigen Freunde - vorliegend im Wesentlichen Anne - werden näher beleuchtet. Wir treffen erstmals auf Alex' ehemaligen Meister und verfolgen mit, wie Alex mit sich selbst, seinen Ängsten konfrontiert wird. Seine Vergangenheit scheint ihn einzuholen und die Verlockung, sich seinem alten Meister anzuschließen wirkt ebenso real wie sein innerer Kampf um Autonomie, um Standhaftigkeit und sein Versuch, die aufkommende Panik im Griff zu halten. Hier geht es nicht nur um die Beschreibung eines Loslösungsprozesses, um die Auseinandersetzung mit einer traumatischen Vergangenheit, sondern auch darum, Verhaltensmuster (Verleugnung, Flucht) aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass es immer vorzuziehen ist, dass man sich seinen Ängsten stellt, holen sie einen doch immer ein.
So ist dies ein Alex-Verus-Roman, der ein wenig dunkler, ein wenig ernster daherkommt, als die bisherigen Romane. Der Plot selbst läuft in sich stringent und nachvollziehbar ab, die neu auftretenden wie auch die schon bekannten Figuren werden interessant gezeichnet, wobei der Spannungsfaktor ebenso hoch bleibt wie die Rasanz, mit der unser Hauptdarsteller von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt und um sein Leben zu kämpfen gezwungen ist.