Kai Bischof: Hannos Reise (Buch)

Kai Bischof
Hannos Reise

2020, Taschenbuch, 432 Seiten, 1177 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Kai Bischof wurde 1970 in Minden geboren und übernahm nach Ausbildung, Wehrdienst und Abendstudium die kaufmännische Leitung eines mittelständischen Handwerksbetriebs. Zu Schreiben begann er nach der Geburt seines ersten Sohnes. Sein Hauptinteresse gilt Geschichten für ältere Jugendliche, in denen er die Geschlechterrollen durchbricht und gerade auch denen eine Stimme gibt, die eher von ihren Altersgenossen verlacht werden. Wie etwa Hanno in „Hannos Reise“.


Der siebzehnjährige Hanno hat es in seiner Klasse nicht leicht. Er wird verspottet und gemobbt, vor allem als jemand das Foto einer Klassenkameradin auf seinen Handy entdeckt und sich darüber lustig macht, was er denn als pickliger Nerd wolle.

 

Glücklicherweise sind Ferien und sein Vater, der als Einzigster zu ihm steht, kommt auf eine verrückte Idee: Er schickt seinen Sohn in den nächsten Wochen mit Interrail-Ticket und Kreditkarte auf eine Reise quer durch Europa.

Schon am ersten Tag begegnet Hanno dabei der drei Jahre älteren Sarah, die ihm nicht nur hilft ein paar Idioten zu entkommen, sondern auch so nimmt, wie er ist. Nachdem er sich revanchieren kann, reisen die beiden zusammen. Die junge Amerikanerin hat allerdings auch ein Geheimnis, das alles, was sich zwischen ihnen entwickelt auf den Kopf stellen könnte.


Zwar dreht sich die Geschichte auch um Liebe, aber das Hauptanliegen des Autors ist ein anderes. Sein Held Hanno ist ein klarer Außenseiter, der neben nicht ganz so perfektem Aussehen jemand ist, der lieber leise Töne anschlägt und sich nicht so produziert wie die Macher, was ihn zu einem geeigneten Opfer für die Angeber und Idioten macht. Daher ist er zunächst auch skeptisch, als ihn sein Vater aus dem gewohnten Leben vor dem Computer reißen und durch die Gegend schicken will.

Aber er versucht es und findet in der nur wenig älteren Sarah jemanden, die ihn ermutigt und immer wieder freundlich anschubst, wenn er aufgeben will. Schon bald wirkt sich das auch auf ihn aus. Er wächst an der Eigenverantwortung und entwickelt sich weiter, aber er bleibt auch sich selbst treu.

Nun kommen seine guten Eigenschaften zum Vorschein, die feinfühlige Ader auf andere einzugehen, seine Beobachtungsgabe und die Hilfsbereitschaft. Eigensucht und Angebertum kennt er nicht. Und genauso wie Sarah ihn nimmt, sieht er auch sie weiter als ganz normales Mädchen, als er erfährt wer sie eigentlich ist. Am Ende der sechs Wochen kommen so beide gestärkt aus den Ferien - und erkennen was wirklich für sie wichtig ist.

Der Roman ist etwas Besonderes, rückt er doch einen Jungen in den Mittelpunkt, der sich am Ende nicht den anderen anpasst, sondern nur seine Stärken erkennt und dadurch selbstbewusster wird. Sarah ist sein Gegenpart - sie erdet sich durch ihn und schätzt ihn als guten Freund.

Diverse andere Jugendliche wie die Idioten, die ihn mobben oder das Mädchen, auf das er zuerst steht, bilden einen schönen Gegensatz in deren Oberflächlichkeit und machen deutlich, das sie nicht unbedingt das Ideal sind, nach dem jeder Junge oder jedes Mädchen streben muss.

Warmherzig und feinfühlig wird die Geschichte erzählt, die eindringlich zu vermitteln versucht, was im Leben wichtig ist und warum man sich nicht verbiegen sollte, um angesehen zu sein - denn auch das bringt Schattenseiten mit sich.

Angenehm ist zudem, dass die Mädchen hier wesentlich selbstbewusster sind als die Hauptfigur und Hanno erst einmal aus seiner passiven und hilflosen Rolle herauskommen muss - was aber nicht bedeutet, dass er am Ende Sarah dominiert. Tatsächlich ergänzen sie einander, wie es beste Freunde tun sollten. Und so fühlt sich das Ende glaubwürdig und realistisch an. Und selbst bei den Erwachsenen werden andere Rollenbilder angeboten, als man sie vermuten mag.

„Hannos Reise“ sei allen jungen männlichen aber auch weiblichen Lesern empfohlen, die es wie die Hauptfigur schwer haben, aus sich herauszukommen und gegenüber anderen zu behaupten. Die so einfühlsam wie eindringlich geschriebene Geschichte macht deutlich, dass es nicht darum geht, sich der oberflächlichen Masse anzupassen, sondern vielmehr seine eigenen Stärken anzuerkennen, dadurch mehr an Selbstbewusstsein zu entwickeln und seinen eigenen Weg weiter zu gehen.