Patricia Briggs: Spiel der Wölfe – Alpha & Omega 2 (Buch)

Patricia Briggs
Spiel der Wölfe
Alpha & Omega 2
(Hunting Ground)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Vanessa Lamatsch
Titelillustration von Animagic
Heyne, 2010, Taschenbuch, 416 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-453-52679-2

Carsten Kuhr

Die Geschichte um unsere Wer-Kojotin Mercy Thompson, die in Tri-City nicht nur eine Autowerkstatt für deutsche Fabrikate betreibt, sondern auch in der übernatürlichen Welt immer ein wenig für Ordnung sorgt, legt eine Pause ein. Stattdessen wendet sich Patricia Briggs zum zweiten Mal dem Henker des Werwolfclans und dessen Geliebten zu.

Charles ein Werwolf mit immerhin weit über 100 Jahren Erfahrung auf seinem Pelz, ist der Vollstrecker des Marrok. Er ist dominant genug, um eigentlich als Alpha sein eigenes Rudel zu leiten oder aber seinen Alpha herauszufordern, doch Bran, der Marrok, der Führer aller Werwölfe Nordamerikas, braucht sich vor seinem Sohn nicht in Acht nehmen. Ganz im Gegenteil ist der Anführer froh, dass Charles endlich seine Mitte gefunden und eine Wölfin an seiner Seite hat. Dass Anna als Omega außerhalb des Rudels steht, dass sie mit ihrer Gabe die Aggressivität der Wölfe bremsen kann, hat ihre Achtung und Zuneigung eingebracht.

Nach anderen übernatürlichen Völkern planen auch die Werwölfe ihr Coming-Out. Bran hat entschieden, dass der Zeitpunkt, den Menschen ihre Existenz zu offenbaren, gekommen ist. Um die ausländischen Clans nicht zu überrumpeln gibt er diesen Gelegenheit, ihre Bedenken zu artikulieren. Aus der ganzen Welt reisen die Vertreter der Sippen nach Seattle, um sich auszutauschen. Der Marrok entsendet, auf Anraten seines Sohnes, Charles und Anna als seine Vertreter. Ein weiser Entschluss, wie sich zeigen wird, denn nicht alle Wölfe sind von dem Plan des nordamerikanischen Werwolfführers begeistert. Jean Castel etwa, der Alpha des französischen Rudels, dem frisches, zartes Menschenfleisch mundet, sorgt ebenso für Ärger wie eine Gruppe wilder Vampire, die Anna kidnappen wollen. Und dann gibt es da noch eine Verflossene von Charles, eine Fee, und man weiß ja, dass Feen immer ihr eigenes Süppchen kochen...

Im Gegensatz zur sehr erfolgreichen „Mercy Thompson“-Reihe konzentriert sich Patricia Briggs bei den Romanen um die Werwölfe ungleich mehr auf das Zwischenmenschliche – pardon, Zwischenwölfische. Die Gefühlswelt ihrer Protagonisten steht ganz im Mittelpunkt der Romane, die Handlung ordnet sich dem dann deutlich unter. Das soll aber nicht heißen, dass der Plot als solches nicht spannende Ereignisse für den Leser bereithalten würde. Es gibt Verwicklungen und Intrigen, ein paar Kämpfe und jede Menge Politik. Dennoch ist der Unterschied zu den „Thompson“-Romanen augenfällig. Richten sich diese eher an ein Publikum, das eine actionreiche Handlung bevorzugt, sind die Romane um den Alpha und seine Omega eher für die Fans der Romance-Titel interessant.

Beide Hauptpersonen sind glaubwürdig und vielschichtig gezeichnete Persönlichkeiten, deren Beziehung zueinander nicht ganz ungetrübt ist. Gerade weil Anna von ihrem früheren Alpha missbraucht wurde, schreckt sie vor zu viel Nähe und Dominanz zurück. Als ihr neuer Partner sie, eigentlich um sie zu schützen, von seinen Gefühlen ausschließt, kommt es, für den Leser gut nachvollziehbar zur Krise. Natürlich ist klar, dass sie sich wieder zusammenraufen werden, dass sie letztlich auch den gordischen Knoten der Konferenz zerschlagen doch das „wie“ ist das Interessante. Deutlich ausführlicher geht die Autorin auf die Besonderheiten der Werwesen, bedingt auch durch die Rudelmentalität, ein. Hier offenbart sich dem Leser ein interessantes Bild, das sich an dem Verhalten der Tiere orientiert, gleichzeitig dann aber von Briggs weiterentwickelt wurde.

Wer sich an entsprechendem Lesefutter begeistern kann, der wird hier interessante Beziehungsgeflechte kredenzt bekommen, die aber tempo- und actionmäßig mit den „Mercy Thompson“-Bänden nicht ganz mithalten können.