Earl Warren: Harry Holt: Der Pfähler (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 09. September 2010 20:52
Earl Warren
Harry Holt: Der Pfähler
Titelbild: Nikolai Lutohin
Atlantis, 2010, Paperback, 172 Seiten, 12,90 EUR
Carsten Kuhr
Der zum Lichtlord berufene Harry Holt darf erneut in Diensten Merlins für diesen einmal mehr die Kastanien aus dem Feuer holen. Kaum sind er und seine Freunde in den Tempel der Weisheit auf Avalon zurückgekehrt, da bittet sie, eigentlich unerhört und nie zuvor da gewesen, Luzifer selbst, der gefallene Engel, um ihre Hilfe.
Ein Emporkömmling schickt sich an, Luzifer seinen Platz in der Hölle abspenstig zu machen. Während Satanas geruhsam zuschaut, Mephisto zunächst ausgeschaltet ist, schickt sich Vlad, der Pfähler, an, seine dunklen Pläne in die Tat umzusetzen. In Xanadu plant der ehemalige Türkenschreck aus der Walachei, der seit seinem Tod als hochrangiger Dämon in die Hölle fuhr, seine Schreckensherrschaft zu errichten. Zunächst trifft sein Überfall die Yetis. Grausam metzelt er die Schneewesen nieder, errichtet einmal mehr wahre Felder von gepfählten Opfern. Danach sucht er sich zusammen mit den Dämonen Bhuua und Nyarlathep Xanadu untertan zu machen.
Die beiden Lichtlords Harry Holt und Mike Merlin fliegen, begleitet von den Amazonenkriegerinnen Hlayras, dem Yeti Yeothan sowie dem reimenden Rocker Neptun und dessen Kumpel Pit Wumme, auf dem Rücken der Flugdrachen ins Gefecht gegen die Höllenfürsten. Glück haben sie, als sich der regenbogenfarbige Drache sowie der letzte Herr von Lemuria, Xantalus, ihrem Kampf gegen die schwarzen Lamas und die Dämonen anschließen. Im Himmel über Kamanchu kommt es zur Schlacht um die Freiheit Xanadus und um die Herrschaft über die Hölle – eine Schlacht, die grausames Leid, selbstlose Opfer und wahren Heldenmut mit sich bringt. Eine Schlacht aber auch, die sich die Amazonenkriegerinnen gut bezahlen lassen – mit einem ausgiebigen Einkaufsbummel durch die Boutiquen, Kosmetiksalons und Schuhgeschäfte des Ku’Damms ...
Earl Warren dem Gruselfan vorzustellen, das hieße Eulen nach Athen tragen. Seit Jahrzehnten ist er aus der Szene nicht mehr wegzudenken, zeichnen sich gerade seine Romane genre-untypisch durch Humor und Ideenreichtum aus. Mit seiner Serie um den Berliner Harry Holt und dessen Freunde hat er sich selbst einen Traum erfüllt. Außerhalb der Zwänge, die jeder Autor im Heftromanbereich ausgesetzt ist, wollte und will er sich und seine Leser spannend und actionreich unterhalten. Dass er und seine Figuren es dabei so manches Mal mit der Logik, ihren Feinden und der Welt als Ganzen nicht ganz ernstnehmen ist gewollt und trägt zur Faszination der Titel bei. Zunächst im Eigenverlag -WaBooks – debütiert, wechselte die Reihe dann zum Atlantis Verlag. In unregelmäßigem Abstand, immer dann, wenn den Autor die Muse überfällt, erscheinen dann die von den Fans der Reihe ungeduldig erwarteten Romane. Zwischenzeitlich hat der Autor seine Romane eng miteinander verzahnt, baut die Handlung auf die bisherigen Titel auf. Mit der Erhebung Holts in den Stand eines Lichtlords, seiner Zuwendung zur Amazonenkönigin und der Aufnahme des Yeti und der beiden Rocker ins Team haben die bislang eher lose miteinander verbundenen Plots Seriencharakter entwickelt.
So geht es dieses Mal zwar mit Billigung von Merlin – aber eben doch auf Bitten Luzifers – einmal mehr in die Vergangenheit. Leider berichtet uns Warren wenig über das Mit- oder doch eher Gegeneinander der beiden faszinierenden Figuren Merlin und Luzifers. Hier hätte ich gerne mehr über ihre gemeinsame Historie – beide sind die jeweils letzten Überlebenden zweier frühen intelligenten Rasse der Erde – erfahren. Danach geht es hinein in die Auseinandersetzung mit einer der ambivalentesten Figuren der menschlichen Geschichte. So manche ernsthafte Historiker sehen Vlad Tepes eher als engagierten Freiheitskämpfer wider die Türken als Bestie in Menschengestalt, der aus der grausamen Pfählung ganzer Dörfer seine perverse Befriedigung zog. Auch Warren nutzt natürlich den Nimbus der Bestie, der seine Gegner grausam mittels eines durch den After getriebenen Pfahles martert und einem langsamen, qualvollen Tod aussetzt. Allerdings sind diese Szenen Warren-typisch eher dezent ausgeführt. Stattdessen besticht er wieder durch faszinierende Gestalten – wie etwa dem letzten Herren der Lemurer, eine letztlich tragische Gestalt, der sich vereinsamt und allein für das Wohl seiner Kameraden opfert. Gerade dies, dass Warren nicht immer nur strahlende Helden präsentiert, dass seine Darsteller durchaus auch einmal inhaltlich nachvollziehbar verzweifeln, unterscheidet ihn von vielen seiner Kollegen. Dazu gesellen sich insbesondere mit dem reimenden Rocker Neptun wieder ein inzwischen lieb gewonnenes Unikat.
Die Handlung läuft nach einem etwas chaotischen Auftakt flüssig ab. Wer eine Antenne für nicht ganz bierernste Grusel-Fantasy hat, der wird auch vorliegend nicht enttäuscht werden. Für Leser aber, die lieber eine epochale Heldenqueste suchen, dürfte der Roman nicht ganz geeignet sein. Harry-Holt-Fans aber werden ihn lieben.