John Scalzi: Krieg der Klone (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 17. Mai 2020 07:43
John Scalzi
Krieg der Klone
Die Trilogie
(Old Man's War, 2007; The Ghost Brigades, 2007; The Last Colony, 2008)
Übersetzung: Bernhard Kempen
Titelbild: Ana Aguirre Perez
Tor, 2020, Paperback, 910 Seiten, 18,00 EUR, ISBN 978-3-596-70000-4 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Die Welt der Zukunft unterscheidet sich nicht wirklich von den uns bekannten Umständen. Menschen lieben und hassen, sie leiden und sind erfolgreich, Kriege werden geführt und am Ende eines jeden Lebens steht der Tod. Nun, manches Mal aber auch nicht.
Seitdem die Menschheit ins All aufgebrochen ist und mit dem Skip-Antrieb fernste Sterne erreichen kann, hat man die Bekanntschaft von mehr als 200 Alien-Rassen gemacht und erkannt, dass eine schlagkräftige Armee vonnöten ist. Nach der Gründung der Kolonialen Union hat sich die Ausbreitung der Menschheit im All beschleunigt, der Bedarf an Soldaten und Siedlern ebenfalls. So fährt die KU einen rigiden, letztlich aber erfolgreichen Kurs in der Rekrutierung ihres Nachwuchses.
Siedler werden nur von Entwicklungsländern und Norwegen akzeptiert, zum Militär dürfen sich nur Menschen aus den USA, Kanada und Westeuropa melden, die zudem ihr 75. Lebensjahr vollendet haben. Auf der Erde, die sie nie mehr betreten dürfen für tot erklärt, erhalten die Rekruten, egal ob Männlein oder Weiblein, einen neuen, genetisch aufgerüsteten grünen Klonkörper und dürfen ihren 10jährigen Dienst antreten. Dass mehr als 75 Prozent der Soldaten die ersten zwei Jahre ihres Dienstes an der Waffe nicht überleben wurde ihnen gesagt, doch was tut man nicht alles, um dem Sensenmann zumindest noch ein paar Tage, Wochen oder Jahre von der Schippe zu springen – und endlich einmal wieder guten Sex zu haben?
John Perry ist einer dieser Rekruten. Nachdem seine Frau vor ein paar Jahren einem Schlaganfall zu Opfer fiel, betritt er an seinem 75. Geburtstag zum zweiten Mal in seinem Leben das Rekrutierungsbüro der KU. Kurz darauf findet er sich in seinem verjüngten Grünkörper wieder und darf zur Ausbildung. Schnell wird deutlich, dass Perry ideales Soldatenfutter darstellt. Bescheiden, intelligent, loyal und dabei effektiv steigt er schnell in der Hierarchie der KVA auf. Zu Hilfe kommt ihm dabei sein Instinkt fürs Töten, sein Überlebenswille, Glück und seine Kritiklosigkeit am totalitären Führungsstil der KU.
Als eine Alien-Rasse eine Vorrichtung, mit der sie eintreffende KVA-Raumschiffe aufspüren kann einsetzt, wird er zur Geisterbrigade abkommandiert - und trifft dort auf eine alte, liebe Bekannte…
Sie sind lange tot, wenn sie zum Leben erwachen. Wenn die Aufgabe aber selbst für die grünen Klon-Soldaten zu groß, zu schwierig oder aussichtslos ist, dann wird der Ruf nach Etwas, nach Jemandem laut, den es gar nicht gibt.
In den Geisterbrigaden wird menschliche DNA von Verstorbenen mit Alien-DNA vermischt, die Klone dann in Rekordzeit herangezüchtet und deren Bewusstsein geweckt. Mittels implantierten BrainPal dauert die Ausbildung der Super-Soldaten, die geistig während ihres Trainings und auch danach miteinander verbunden sind, gerade einmal zwei Wochen, dann geht es in den zumeist desaströs ablaufenden Einsatz für die Menschheit.
Als die menschlichen Kolonien, nachdem einer ihrer eigenen Wissenschaftler sie verraten hat, von gleich drei außerirdischen Spezies bedroht werden, versuchen die Geheimdienste verzweifelt der Motivation des Verräters auf die Spur zu kommen. Sie implantieren den im Computer des Forschers aufbewahrten Geist des Verräters in einen Klon und beobachten den Jungsoldaten im Einsatz. Die traumatischen Kriegserlebnisse wecken die Erinnerungen des Überläufers im Klon und weisen den Weg zu dessen Versteck. Die Spur führt zu einer der Heimatwelten der Obin; die Mission der Geisterbrigade, die ihn kidnappen soll aber versagt spektakulär. Als Klon und Naturgeborener sich begegnen, kommt Licht ins Dunkel des Verrats…
Einst waren John Perry und seines Frau Jane Mitglieder der Spezialeinheiten, gentechnisch aufgerüstete Soldaten der Menschheit im Kampf gegen die Konklave. Sie haben Planeten besetzt, Aliens getötet und dafür gesorgt, dass die menschlichen Kolonien in der Weite des Weltalls ein wenig sicherer waren. Dann gingen sie in ihren verdienten Ruhestand, nahmen ihre adoptierte Tochter und zogen auf einen der wenig besiedelten Kolonialplaneten, um dort ihren Ruhestand zu verbringen.
Doch die Koloniale Union ruft, und diesem Ruf hat man sich als verantwortungsvoller Mensch nicht zu entziehen. John Perry und seine Frau Jane sollen eine neue Kolonie führen, eine Kolonie, die laut dem Statut der Konklave nicht gegründet werden darf. Dass auch die KU ihre ganz eigene Politik betreibt, müssen die Neu-Kolonisten leidvoll erfahren. Sie sollen aus politischen Gründen geopfert werden; ein Plan, gegen den John Perry, Jane und ihre Tochter Zoë ganz entscheiden etwas einzuwenden haben.
Und so machen sich unsere Rebellen wider der Union auf, ungewöhnliche Verbündete zu suchen, unerwartete Wege zu gehen und einen unerhörten Verrat zu begehen - und dabei sowohl die Koloniale Union, als auch die Hardliner der Konklave ganz alt aussehen zu lassen…
Drei Romane in vom ausgezeichneten Übersetzer Bernhard Kempen überarbeiteter Übersetzung erwarten den Leser. Drei Romane, die der Space Opera neues Leben eingehaucht haben, die mit Ideen, Tempo, Dramatik aber auch Tiefgang überraschten und John Scalzi, sowohl in der Lesergunst wie von Seiten der Kritik (John W. Campbell Award sowie Geffen Award und dann noch einen Hugo als damals bester Fan Autor) in den Olymp der modernen SF hoben.
Was mit E. E. „Doc“ Smith seinen Anfang nahm, später von Robert A. Heinlein aufgegriffen und weiterentwickelt wurde und mittlerweile von David Weber, John Campbell und Mike Shepherd zu neuen Ehren gelangte, die Spielart der Military SF, das findet in John Scalzi einen neuen, einen frischen Autor, der den oftmals stereotypen Handlungsabläufen in seinem Erstling sowie den darauf aufbauenden Romanen ungewohnte Seiten abgewinnt.
Statt uns mit ständig sich wiederholenden Kampfbeschreibungen zu langweilen, sucht Scalzi einige wenige Einsätze seiner Handlungsträger heraus, an denen er uns deren Schicksal aufzeigt. Dabei werden die negativen Seiten des Krieges, das Leid, das Töten und die Schuld nicht außen vor gelassen, jedoch auch nicht unbedingt in den Mittelpunkt gestellt.
Scalzis Protagonisten geht es nur um Eines: das Überleben. Ohne Skrupel wird daher geschossen und gefightet, werden Aliens niedergemacht und in die Luft gesprengt, dass jeder Landser-Fan begeistert sein dürfte. Dass die Menschen dabei nach dem Motto „erst schießen, dann reden“ vorgehen, dass zumeist nur tote Aliens gute Aliens sind, Diplomatie eher unbekannt ist und auch die diktatorischen Machtstrukturen der KU nicht hinterfragt werden ist ein wenig zu bemängeln, stören aber den Lesefluss nicht.
Dabei zeigt der Autor durchaus die Kritikpunkte auf, hinterfragt diese aber nicht wirklich, sondern ordnet alles seinem rasanten Plot unter. Dabei fasst er sich ungewohnt aber willkommen kurz, so dass wir von Wiederholungen oder ausufernden Berichten verschont bleiben.
Das Ganze liest sich, angereichert mit ein wenig trockenem Humor, kurzweilig und flüssig, zeigt uns Charaktere, die ob ihres Schicksals so manches Mal ein wenig zu flach, stromlinienförmig und angepasst bleiben, ist aber auch herrlich spannend.
Und man bekommt viel Lesestoff für sein Geld. Tor hat sich nicht lumpen lassen, hat Dünndruckpapier verwandt, um die drei Romane in ein gut handelbares Format zum Preis von nicht einmal zwei normalen Paperbacks zu pressen.
So erwartet den Scalzi-unbedarften Neu-Leser eine geballte Ladung moderner Space Opera, wird er sicher von den zugrundeliegenden Ideen verblüfft, von der Rasanz der Handlung überrascht, mitgerissen und von den Figuren fasziniert sein. Lesen!
Und er nutzt diese Plattform um wichtige Fragen zu stellen. Fragen nach der Selbstbestimmung des Individuums, nach Freiheit aber auch Verantwortung. Verklausuliert beschäftigt sich der Autor mit den Triebfeldern der Menschen, mit der Angst vor dem Tod, und der Suche nach einem Lebensziel. Das wirkt, gerade weil Scalzi das sehr geschickt anstellt, etwas sentimental, fast schon rührselig, zwingt den Leser aber auch sich selbst zu hinterfragen und zu positionieren