Christian Endres: Sherlock Holmes und die tanzenden Drachen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 18. Oktober 2019 12:49
Christian Endres
Sherlock Holmes und die tanzenden Drachen
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2015, Paperback, 360 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-86402-220-3 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)
Rezension von Karl E. Aulbach
Christian Endres lebt in der Nähe von Würzburg und ist in der Phantastik-Szene in den letzten Jahren vor allem durch verschiedene Artikel und Kurzgeschichten aufgefallen, die er in den unterschiedlichsten Magazinen und oft auch bei kleineren Verlagen veröffentlichen konnte. Seine Kurzgeschichten-Sammlung „Sherlock Holmes und das Uhrwerk des Todes" wurde ebenso wie seine Kurzgeschichte „Feuerteufel" mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. Mit dem Roman „Sherlock Holmes und die tanzenden Drachen“ schließt der als Holmes-Fan bekannte Autor an diese Erfolge an.
Sherlock Holmes und Phantastik, das ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Trotzdem tummeln sich sehr viele Autoren auf diesem Spezialgebiet. Die wenigstens schaffen es allerdings, den fest in der Welt verankerten Holmes mit seinen logisch-deduktiven Fähigkeiten und die Welt der Phantastik mit ihren überbordenden, oft eben auch logisch unerklärlichen magischen Möglichkeiten halbwegs miteinander zu vereinen, so dass diese Experimente meist in eher unterdurchschnittlichen und schwachen Romanen enden. Auch Endres hat mit diesen Widersprüchen zu kämpfen. Im Gegensatz zu anderen Autoren ist es ihm aber gelungen, einen überdurchschnittlich guten und sehr lesbaren Roman zu kreieren.
Bereits zu Beginn des Romans lässt er Holmes mit einer eigentlich verblüffend einfachen Methode, auf die nur kaum jemand gekommen wäre, einen Verbrecher ausfindig machen und liefert so ein ansprechendes Beispiel für die detektivischen Fähigkeiten des Ermittlers. Leider war es das in dieser Hinsicht dann auch schon. Für den Rest des Romans findet sich Holmes mit seinem Faktotum Dr. Watson eher in der Rolle der auf äußere Ereignisse Reagierenden in einer abenteuerlichen und phantastischen Handlung als in der Rolle des brillanten Kriminalisten.
Die Handlung spielt in einem viktorianischen London, das sich von unserer Realität dadurch unterscheidet, dass durch magische Portale Verbindungen zum Elfenreich bestehen und die Stadt damit magischen Gesetzen gegenüber offen und mit Elfen, Zwergen und Trollen bevölkert ist. Diese gehören allerdings meist zu den Unterprivilegierten, und Endres nutzt dies gelungen, um die Probleme mit dem real existierenden Rassismus herauszustellen.
Abgesehen von diesen gravierenden Unterschieden fängt Endres die Stimmung und den Hintergrund von Arthur Conan Doyles Original-Romanen sehr gut ein und versteht es auch glänzend, die Leser mit Querverweisen auf die klassische Holmes-Literatur zu unterhalten. Kein Wunder, sind doch auch in dieser Welt die Verschwörungen des Professor Moriaty, der es hier bis zum Premierminister gebracht hat, eines der Kern-Themen des Romans.
Ausgehend vom Kernauftrag, der Suche nach dem verschwundenen Schwert Excalibur, entwickelt sich eine actionreiche großformatige Handlung, die letzten Endes sogar in eine große Schlacht um London, das von einem Heer von Untoten bedroht wird, mündet. Daneben gibt es etliche ‚Nebenkriegsschauplätze‘, in denen sehr bekannte Persönlichkeiten wie Jack the Ripper, aber auch beispielsweise Oscar Wilde mitunter recht gelungene Auftritte feiern können und dem Autor Anlass geben, einige sehr schöne Anekdoten dazu loszuwerden.
Als reiner Holmes-Fan ist man vielleicht etwas enttäuscht, dass im Finale die Auflösung der Handlung nicht durch eine besondere logisch-deduktive Meisterleistung des genialen Kriminalisten Sherlock Holmes erfolgt, sondern eher den üblichen Fantasy-Genre gemäßen Mustern folgt - was aus Sicht des Fantasy-Lesers aber auch nicht von Nachteil ist.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es der Autor sehr gut geschafft hat, den Hauptfiguren Holmes und Watson sehr erkennbar ihre klassische Identität zu belassen und sie trotzdem nicht starr zu gestalten, sondern behutsam zu entwickeln, so dass sie auch in diesem Fantasy-Umfeld - wenngleich nicht in der klassischen Ermittler-Rolle - nicht allzu unpassend wirken. Als Leser ist man jedenfalls ganz angenehm überrascht und kann das Buch auf jeden Fall weiter empfehlen.