Arthur Machen: Der geheime Glanz (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 28. August 2019 22:38

Arthur Machen
Der geheime Glanz
(The Secret Glory, 1900)
Übersetzung: Joachim Kalka
Titelbild: Oda Ruthe
Elfenbein, 2019, Hardcover, 246 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-96160-22-9
Rezension von Carsten Kuhr
Arthur Machen gehört zu den zumindest im deutschen Sprachraum vernachlässigten Phantastik-Autoren. Einzelne Bücher von ihm erschienen in der Bibliothek von Babel (Edition Weitrecht), bei Suhrkamp und JMB sowie, 1993/1994 publiziert, eine sechsteilige Werksausgabe bei Piper.
Letztere, von Joachim Kalka damals kongenial ins Deutsche übertragene Edition, bietet die Grundlage für die längst überfällige Neuedition, die der Elfenbein Verlag nun in drei Jahren schultern will. Joachim Kalka steuert neben den Übersetzungen auch bislang unveröffentlichter Texte sowie jeweils ein informatives Nachwort bei, das die Erzählung einordnet und uns den Verfasser näher bringt.
Vorliegend, bei Piper unter „Der verborgene Sieg“ veröffentlicht und nun um zwei Skizzen ergänzt, erwartet den Leser ein Machen untypischer Text. Während der als Arthur Llewellyn Jones geborene Arthur Jones Machen sonst für seine übernatürlichen Geschichten berühmt und beliebt ist, arbeitet er in vorliegendem Roman seine Traumata aus der Schulzeit auf. Als Sohn eines Pfarrers im walisischen Caerleon-on-Usk (Monmouth, Newport) aufgewachsen, besuchte er eine Public School, deren Erziehungsmethoden er, wie sein Protagonist Ambrose Meyrinck, verabscheute.
In ergreifenden Bildern schildert uns Machen das Martyrium eines fünfzehnjährigen, der von seinem Onkel, den Konrektor des Internats auf das man ihn schickt, gezüchtigt wird. Dass dieser dabei seine eigene Frustration an den unschuldigen Zöglingen mit der Weidengerte auslässt, dass der körperliche Einsatz beim Rugby weit mehr gewürdigt wird als Intelligenz und eigenständiges Denken, bricht den Jungen fast. Erst als er innerlich aufbegehrt, sich gegenüber seinen Klassenkameraden durchzusetzen beginnt, nimmt seine Marter eine Wendung, die letztlich zu der Suche nach sich selbst und seiner Bestimmung führt.
So manche Episoden aus dem Roman dürften direkt aus der persönlichen Leidenszeit Machens auf der Public School stammen.
Ambrose, der unschwer als Arthur zu erkennen ist, ist ein Freigeist, der sich, mit Hilfe seines allzu früh verstorbenen Vaters, dem Spiritismus und Mystizismus früh öffnete. Seine Begegnung mit einem verklärt dargestellten Heiligen Gral gehört zu den Schlüsselszenen des Buche, wirkt aber auf mich etwas überfrachtet und zu schwülstig um wirklich glaubwürdig zu sein. Bezeichnend, dass Machen sich später dem Hermetic Order of the Golden Dawn, dem auch Aleister Crowley und William Butler Yeats angehörten, anschloss.
Das britische Schulsystem versuchte ganz bewusst die Zöglinge zu willfähigen Dienern des Empires zu erziehen. Platz für Kreativität, Träume oder Mystizismus blieb da keiner. Dass Ambrose von seinem verstorbenen Vater früh in dessen Begeisterung für die keltische Spielart des Christentums eingeführt wurde, dass er die Ausstrahlung heiliger Stätten, Ruinen und verlassener Kultplätze erleben durfte, eröffnet dem Jungen den Zugang zu einer vergessenen Ära, die all dem widerspricht, für das sein Onkel steht. Dieser Konflikt wird von Machen mustergültig aufbereitet und deutlich gemacht. Dabei muss Ambrose später zumindest nach außen hin auch seine eigene Einstellung und Rolle hinterfragen, sich neu öffnen und ändern.
Dass der Verlag ausgerechnet diesen nur entfernt phantastisch angehauchten Roman in der ersten Lieferung der Werksausgabe auflegt, überrascht auf den ersten Blick. Dabei ist sowohl vom Duktus her wie auch inhaltlich der Roman ein Meisterstück der Charakter-Zeichnung des Protagonisten. Es mag sein, dass die bekannten Werke Machens („Die leuchtende Pyramide“ oder „Der große Pan“), eben weil sie bereits in diversen Ausgaben vorliegen, für eine spätere Veröffentlichung ausgewählt wurden, Tatsache ist, dass vorliegender Roman intensiv zu lesen ist und den Rezipienten innerlich ob der Marter, der unser Protagonist ausgesetzt ist, mitleiden lässt.
Äußerlich kommt die Ausgabe des Elfenbein Verlags mustergültig daher. Das kleinoktave Format liegt angenehm in der Hand, der Druck wie das Lektorat sind mustergültig, Fadenheftung und Lesebändchen erfreuen des bibliophilen Lesers Herz.
So ist dies ein gelungener Einstand, dem der Verlag gleich noch parallel publiziert „Die drei Häscher - oder Die Verwandlungen“ zur Seite gestellt hat.