X-23 1: Zwei flogen über das Kuckucksnest (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 18. Juli 2019 11:11
Mariko Tamaki
X-23 1
Zwei flogen über das Kuckucksnest
(X-23 (2018) 1-6,2018/2019)
Übersetzung: Carolin Hidalgo
Titelbild: Mike Choi
Zeichnungen: Juann Cabal, Georges Duarte, Marcio Fiorito u.a.
Panini, 2019, Paperback, 140 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-7416-1176-6
Rezension von Irene Salzmann
Laura Kinney alias X-23 ist ein Klon von Wolverine und Gabby Kinney alias Honey Badger der vermutlich einzige noch lebende Klon von ihr. Aber ist Laura wie Gabby wirklich nur ein Klon - fand Iron Man doch den Hinweis, dass Laura Spuren einer weiteren DNA in sich trägt, demnach die Genetikerin Sarah Kinney ihre leibliche Mutter ist?
Nach außen hin scheint sie sich mit ihrer undurchsichtigen und gewaltreichen Herkunft - man wollte eine Killermaschine erschaffen - abgefunden zu haben. Schon um Gabby, in der sie eine jüngere Schwester sieht, nicht noch mehr zu verunsichern, gibt sie sich ungerührt und verschweigt so manche Details wie beispielsweise ihr Geburtsdatum, denn keinen Geburtstag zu haben, ist ein wunder Punkt des jüngeren Mädchens.
Infolgedessen gibt es Gabby viel zu denken, wie die Stepford-Cuckoos, Klone von Emma Frost, mit ihrer Abstammung umgehen. Weder sie noch Laura ahnen jedoch, was wirklich hinter der Geburtstagsfeier von Celeste, Irma/Mindee und Phoebe steckt, die zugleich dem Gedenken an die verstorbenen Schwestern Esme und Sophie dient. Deren Geister konnten vor einiger Zeit in neue Klone schlüpfen, die jedoch verbraucht sind, so dass die beiden neue, starke Körper benötigen. Die passenden Kandidatinnen hat das Trio, das selbst manipuliert wird, ohne es zu wissen, bereits ausgewählt.
In „X-23“ 1 rufen die Stepford-Cuckoos die Geister ihrer getöteten Schwestern ins Leben zurück, doch die Zeit der provisorischen, an Zombies erinnernden Klon-Körper läuft ab, so dass sich die starken Telepathinnen neuer Gefäße bemächtigen wollen. Als Sophie tot aufgefunden wird, entführen Celeste, Mindee und Phoebe Gabby, um Esmes Geist in den Körper des Mädchens zu transferieren, bevor es für sie zu spät ist. Das Experiment gelingt, und Gabby unter dem Einfluss von Esme attackiert Laura, die ihre Schwester retten will. Dabei erhält Laura unerwartet Hilfe von zwei der Stepford-Cuckoos. Sie wollen nicht nur Gabby von Esmes Geist befreien, sondern auch verhindern, dass dieser Zugriff auf Cerebro erhält und dadurch praktisch unbesiegbar wird.
Mariko Tamaki („Tomb Raider“, „Supergirl“ und so weiter) hat mit einer spannenden Action-Story zwei Familiendramen verwoben. Sowohl Laura und Gabby als auch die Stepford-Cuckoos sind Klone, die sehr unterschiedlich mit ihrem Schicksal umgehen und auch zueinander verschiedene Beziehungen aufgebaut haben. Während sich Laura und Gabby als Schwestern betrachten und nach ihren schrecklichen Erfahrungen in der Kindheit versuchen, eine Art normales Familienleben zu führen, das durch scheinbare Belanglosigkeiten wie das Fehlen eines Geburtsdatums in eine kleine Frust-Krise gerät, verstehen sich Celeste, Mindee und Phoebe als eine Einheit (Three-In-One, ursprünglich Five-In-One), denn nur gemeinsam erreichen sie ihr volles Potenzial, weshalb sie auch ihre verstorbenen Schwestern zurückholen, nicht ahnend, dass eine von ihnen allein über die ganze Macht verfügen will. Ihr Verhältnis zueinander wirkt unpersönlich, lieblos und zweckorientiert; wer Schwäche zeigt, wird von den anderen als Risiko erachtet und ständig gemaßregelt oder schlimmer.
Als die Situation eskaliert, erweist sich das Band der Zuneigung, das zwischen Laura und Gabby besteht, stärker als das Zusammengehörigkeitsgefühl der Fünflinge, deren Individualität und Rechtsempfinden dazu führt, dass sich zwei an dem Vorhaben der anderen nicht beteiligen wollen, weil sie wissen, dass das Ganze falsch ist und Esme gestoppt werden muss, bevor sie noch mehr Unheil anrichtet.
Nebenbei lernt Laura, dass für ein Kind wie Gabby auch Kleinigkeiten von Bedeutung sind und von ihr nicht erwartet werden kann, Fragen, auf die es momentan keine konkreten Antworten gibt, und Enttäuschungen so leicht wegzustecken wie eine reifere Person. Umgekehrt sieht Gabby ein, dass man ihr nicht absichtlich etwas vorenthält und sie Gegebenheiten, für die es keine schnelle Lösung gibt, erst einmal akzeptieren muss.
In der abschließenden Kurzgeschichte „Operation Kindergarten-Klon“, die mit der Haupthandlung nichts zu tun hat, gehen die beiden Schwestern dem Verdacht nach, dass in einer Schule mit Gen-Material experimentiert wird und Klone geschaffen werden sollen. Der Stil von Marcio Fiorito ist comichafter als der von Juann Cabal und Georges Duarte, die „Zwei Geburtstage und drei Beerdigungen“ illustrierten.
Das Paperback bietet eine relativ in sich abgeschlossene Storyline, die alles hat, um die Leser gut zu unterhalten: packende Action-Szenen und persönliches Drama in einer gelungenen Mischung. Die Zeichnungen sind recht realistisch und ansehnlich.