phantastisch! Ausgabe 74 (Magazin)

phantastisch! Ausgabe 74
Titelbild: ArndRudolf Sieber-Lonatit
Atlantis, 2019, Zeitschrift, 84 Seiten, 5,95 EUR (auch als PDF-Ausgabe erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Was macht die „phantastisch“ eigentlich aus? Ist es die Konzentration von Themen abseits des Mainstreams, oder auch die Offenheit gegenüber den Werken vergangener Zeiten? Ganz offensichtlich sogar beides, denn die 74. Ausgabe beschäftigt sich wieder genau damit.


In den Interviews mit Leigh Bardugo, Christopher Ruocchio und Erik Simon dominieren wieder die persönlichen Fragen und offenen Antworten. Hier müssen die Autoren dem Markt nichts vorspielen, sondern können frei von der Leber weg antworten. Christian Endres erlaubt sich eine kurze Werkschau von Cixin Liu, Olaf Kemmler widmet sich einem der vielen Titelbild-Künstler, die trotz ihrer wichtigen Aufgabe, den Leser anzulocken, nur selten gewürdigt werden, wie in diesem Fall Rudolf Sieber-Lonati, der vor allem im Heftroman-Sektor aktiv war.

Filmisch wird es in „Dreimal Gummimonster“, denn dort erinnert Thorsten Hanisch an die vielen Monster-Filme aus Japan, die aus der älteren Generation viele kennen, über die aber auch gerne gelacht wird, weil sie in Story und Tricks äußerst simpel sind - aber dennoch ihren Reiz nicht verhehlen können. Carsten Kuhr bietet eine kurze Werkschau zu Dirk van den Boom und schließlich widmet sich Jan Niklas Meier der „Apokalypse des Abendlands“ - den Weltuntergangsphantasien und Visionen, wie sie schon seit vielen Jahrhunderten durch die europäischen Mythen und Literatur geistern. Zudem wird an den im Winter verstorbenen Stan Lee erinnert.

Dazu kommen natürlich auch die üblichen Artikelreihen und Rezensionen, die mehr oder weniger zu jeder „phantastisch!“ gehören und die Kurzgeschichte „Kielwasser“ von Valentin D. Iwanow, einem bulgarischen Schriftsteller.


Im Grunde kann man nur das wiederholen, was eigentlich zu jeder Ausgabe passt: Die Interviews wissen durch ihre persönliche Dimension zu gefallen. Die Fragen, die gestellt werden, entsprechen nicht dem üblichen Kanon und die Autoren wirken viel freier und offener in ihren Antworten, plaudern manchmal sogar mehr aus dem Nähkästchen als man denkt und verraten so interessante Dinge über sich und ihre Werke.

Die Artikelschreiber beschäftigen sich mit Themen, die ihnen liegen und Spaß machen, sind dabei aber auch nicht immer nur voll des Lobes sondern durchaus schon einmal kritisch mit der Materie. Sie heben Werke und Filme oder Serien hervor, über die die Masse lächeln mag oder nur für Kinderkram hält und erklären sehr deutlich und nachvollziehbar, was der besondere Reiz an allem ist.

Das ist wohl auch weiterhin die Stärke der Zeitschrift. Sie will nicht hipp, modern und mit der Zeit gehend oberflächlich sein, sondern anecken, zum Nachdenken und Reinschnuppern bei Texten und Filmen oder Comics ermuntern, die man als Leser sonst übersieht.

Eine Randerscheinung bleibt allerdings eher die Story. Fast an das Ende des Heftes gesetzt, geht sie mehr oder weniger unter, was eigentlich schade ist, denn hier lernt man Autoren kennen, die sonst auf dem Markt wohl kaum eine Chance haben. Und „Kielwasser“ besitzt tatsächlich seinen eigenen exotischen Charme, spielt mit etwas, was auf der Erde kaum einer beachtet, aber fatal für jemanden sein kann der zu den Sternen blickend, Messwerte beurteilen muss.

Alles in allem ist auch diese 74. Ausgabe der „phantastisch!“ wieder gut zusammengestellt, abwechslungsreich und unterhaltsam präsentiert, auch wenn man natürlich offen für alle Spielarten der phantastischen Genres sein sollte, vor allem der Science Fiction in all ihren Formen.