H. D. Klein: Phainomenon (Buch)

H. D. Klein
Phainomenon
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2018, Paperback, 478 Seiten, 15,90 EUR, ISBN 978-3-86402-571-6 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Ein älteres Ehepaar behauptet, von einem UFO entführt worden zu sein. Da die Frau ihr Aufnahmegerät in Betrieb hatte und es an Bord blieb, von wo aus es noch immer sendet, gibt es endlich den Beweis, dass tatsächlich Raumschiffe existieren, die aus unbekannten Gründen die Erde besuchen.

Das von der Raumstation ISS zurückkehrende Space Shuttle INTREPID wird vom Space Center beauftragt, das nach der Entführten MARTHA genannte Alien-Schiff zu beobachten und Kontakt aufzunehmen. Die Wissenschaftler Kenneth und Hilary Cochran gelangen an Bord und entdecken dort eine Art Thronsaal nebst irdischen Gebraus- und Luxusgütern sowie eine entführte junge Frau, Janine Lindemulder. Bevor für sie ein Raumanzug beschafft werden kann, verschwindet MARTHA mit ihren unfreiwilligen Gästen.

Auch die INTREPID wird kurz darauf entführt und findet sich in der Vergangenheit wieder. Weil das Shuttle über keinerlei Ressourcen mehr verfügt, entschließt sich die Crew zu einer Notlandung in der Region von Ägypten, denn von dort senden die Cochrans über die Funkgeräte ihrer Anzüge. Trotz größter Widrigkeiten überleben die Astronauten und müssen sich an der Fertigstellung der Pyramiden beteiligen, die es eigentlich erst Jahrtausende später geben sollte.

Ein Deutscher aus der zu Ende gehenden Kaiserzeit koordiniert die Arbeiten, die von den menschenähnlichen Ongennen und den Neuankömmlingen ausgeführt werden. Sie bedienen sich erstaunlicher Mittel, von denen die moderne Forschung nichts weiß. Nur zögerlich teilt Jonathan Steinvogel sein Wissen mit der Crew, denn er fürchtet sich vor dem geheimnisvollen Belvedere, der mit den Pyramiden, bei denen es sich um Zeitmaschinen handelt, in die friedliche und zivilisierte Gegenwart reisen will, um dort die Macht an sich zu reißen.

Die INTREPID-Crew würde gern in ihre Zeit zurückkehren, aber noch wichtiger werden, nachdem einige von ihnen von dem grausamen Aliens getötet wurden, der Wunsch nach Rache und der Wille zu verhindern, dass Belvedere seine Schreckensherrschaft in ihrer Zeit fortsetzt.


Hans Dieter Klein schrieb diesen Roman schon vor rund zwanzig Jahren. Er erschien bei Heyne, der Nachdruck im Atlantis Verlag. Der Autor studierte Luft- und Raumfahrttechnik in München, was man dem Buch durchaus anmerkt, da die Beschreibungen des Shuttles, der Außenmissionen, der Probleme bei der Landung und so weiter Hand und Fuß haben. Es wird nichts beschönigt oder romantisiert - dass die Zeitreisenden überleben, verdanken sie einer Mischung aus korrekten Berechnungen, den richtigen Entscheidungen des Kapitäns und der Alien-Technologie, die Schlimmeres verhindert.

Was noch dazu kommt, ist rein fiktiv. Die Entstehung der Pyramiden wird vorverlegt in eine Ära, in der es vielleicht die Sintflut gegeben haben mag, über die nicht allein die Bibel berichtet. Um mit seinen Angehörigen dieser Katastrophe zu  entrinnen, lässt Belvedere, bei dem es sich um einen der letzten Bewohner von Atlantis handeln mag, die Pyramiden bauen, um mit ihnen in eine auch für seine Maßstäbe angenehme Zukunft zu reisen. Warum er dafür nicht MARTHA nutzt, die problemlos Menschen in die Vergangenheit bringt, will einem nicht so ganz einleuchten, denn Platz für die Sarkophage wäre an Bord.

Nachdem die INTREPID-Crew zunächst enorm viel Glück hat, wird den meisten von ihnen der Versuch, mit Belvedere zu reden und später ihn auszuschalten, zum Verhängnis. Die Pyramiden treten die Zeitreise an, aber es kommt dennoch anders, als erwartet, wodurch sich ein weiterer mysteriöser Kreis im Rahmen der ägyptischen Geschichte schließt und auch Steinvogels Rolle ihre Berechtigung erhält.

Der Autor schreibt ausgesprochen nüchtern und unaufgeregt, so dass sich selbst in dramatischen Momenten keine wirkliche Spannung einstellen will. Man sollte mit den Protagonisten fiebern, aber weder bauen sie eine richtige Beziehung zum Leser auf, noch sorgt man sich um sie. Schnell nehmen sie ihr Schicksal an und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Erst das Auftauchen Belveders bringt einen Risiko-Faktor mit sich. Er verkörpert zugleich die letzte Hoffnung und das Desaster für die Crew, die zu gutgläubig und vorhersehbar agiert. Das Ende birgt kleine Überraschungen und schließt den Roman zufriedenstellend ab.

Man folgt der Handlung von „Phainomenon“ interessiert, ist neugierig auf das Schicksal der Astronauten und die Hintergründe, aber von einem pageturner ist der Titel ein gutes Stück entfernt.