Avengers: Jeder will die Welt beherrschen, Dan Abnett (Buch)

Dan Abnett
Avengers: Jeder will die Welt beherrschen
(Avengers: Eveybody Wants ot Rule the World, 2018)
Übersetzung: Timothy Stahl
Panini, 2019, Paperback mit Klappenbroschur, 316 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-8332-3772-0 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Berlin: Captain America macht Jagd auf Baron Wolfgang von Strucker, einem der Köpfe der Verbrecher-Organisation Hydra, der einen biologischen Kampfstoff auf die Menschheit loslassen will.
Savage Land: Der Quinjet mit Hawkeye und Black Widow an Bord wird abgeschossen. Die beiden können sich retten und finden im Dschungel einen Laborkomplex von A.I.M., in dem an Nano-Technologie gearbeitet wird, die es M.O.D.O.C. ermöglichen soll, die gesamte Menschheit zu kontrollieren.
Washington: Die Kommunikation ist gestört, und Iron Man folgt allein auf sich gestellt der Spur zum Verursacher dieses Problems, das erst der Anfang vom Ende der Welt ist, wie jeder sie kennt, eingeleitet von Ultron.

Sibirien: Thor stößt auf eine uralte, finstere und ihm fremde Magie, deren Anwender es gelingt, einen Teil des Landes in eine andere Dimension zu versetzen. Als Scarlet Witch dem Donnergott zur Hilfe eilt, ist seine Erleichterung von kurzer Dauer, denn ihrer Gestalt bedient sich der Dämon Dormammu.
Madripoor: Bruce Banner soll als Fachmann bei einer S.H.I.E.L.D.-Mission aushelfen, doch steckt mehr dahinter, als man ihm mitteilen will. Schließlich findet er heraus, dass der High Evolutionary mit einer Gamma-Bombe die DNA der Menschen verändern will. Falls Banner ihn unterstützt, soll er im Gegenzug von seinem Alter Ego Hulk befreit werden.


Fünf Schauplätze und fünf Avengers (plus einigen in Nebenrollen) bekämpfen fünf Superschurken nebst Handlanger, die bloß ein Ziel kennen: die Herrschaft über die Erde unter Inkaufnahme vieler Kollateralschäden. Das ist nichts Neues, bloß die Motivation überrascht, weil jeder auf seine Weise die Erde retten will vor einer im Hintergrund operierenden Macht, die ein Ultimatum gestellt hat. Das erklärt auch, weshalb gleichzeitig fünf Fieslinge zuschlagen - und der erfahrene Leser wird sich ihre Beweggründe sehr schnell zusammengereimt haben.

Denn wie die Helden wundert er sich über das zeitgleiche und überhastete Vorgehen der Verbrecher, deren Pläne eigentlich nicht viel übrig lassen von dem, worüber sie herrschen wollen, falls sie ihr Ziel erreichen. Ein Nebeneffekt ihrer Vorhaben ist stets eine neue Menschheit: Strucker hofft auf die Dankbarkeit und Ergebenheit derer, die überleben, M.O.D.O.C. hat ein kontrollierbares Volk in Auftrag gegeben, Ultron wünscht sich eine Welt mit intelligenten Maschinen, Dormammu sieht in der Erde eine im magischen Gefüge extrem wichtige und darum erhaltenswerte Welt, auf der seine Sklaven leben sollen, und der High Evolutionary träumt von einer reduzierten Bevölkerung, die so programmiert ist, dass sie von ihrem Herrscher angeleitet werden möchte.

Natürlich spekuliert der Leser, welcher Feind die Strippen zieht. Er muss so mächtig sein, dass selbst ein Dämon und ein Wissenschaftler, der sich einer beschleunigten Evolution unterzogen hat, Gründe haben, ihn zu fürchten. Man tappt lange im Dunkeln, und die Auflösung überrascht. Sie wird zwar plausibel erklärt, aber irgendwie wirkt das alles doch sehr dünn, zumal die vereinten Helden den Feind ruck zuck unter Druck setzen und prompt eine Antwort haben, als dieser eine neue Waffe präsentiert. Kurz: Die einzelnen Scharmützel lesen sich wesentlich dramatischer als der Einsatz gegen den Rädelsführer, zumal dieser finale Kampf recht schnell abgehandelt wird. Da hätte man doch etwas mehr erwartet, wenn all die hochkarätigen Avengers-Feinde sowas von Muffensausen haben.

Immerhin gelingt es dem Autor, die Hauptfiguren individuell zu gestalten. Captain America ist der direkte, aufrichtige Held, der immer erst an andere und nie an sich selbst denkt. Black Widow ist die schöne, aber erfahrene und tödliche Agentin, die ihren viel menschlicher agierenden Partner Hawkeye in die zweite Reihe verweist. Iron Man scheint die Figur zu sein, die Dan Abnett („The Authority“, „Nova“, „Aquaman“) am meisten Spaß macht, denn er bringt hier die meisten ‚dummen Sprüche‘ zur Auflockerung, wie man sie aus den Filmen kennt. Thor wirkt weniger erhaben als in seiner Comic-Serie (in der er Shakespeare-English spricht) und bleibt ebenso blass wie Scarlet Witch, die beide von Dormammus Magie überfordert sind. Der Hulk ist hier wie der Flaschengeist, doch bleibt der Korken so lange stecken, bis der brillante Bruce Banner nichts mehr ausrichten kann.

Das Buch bietet viel Action, und bei den entsprechenden Szenen hat man tatsächlich eher die Filme als Comic-Panels vor Augen. Die Lektüre ist mehr an die Kino- und TV-Freunde als an die Comic-Leser adressiert, wenn man den Handlungsaufbau, die Charakterisierungen und Kalauer vergleicht. Gerade als langjähriger Leser spürt man die Filme, nicht die Comics. Wer kurzweilige Unterhaltung sucht auf Film-Level wird auf jeden Fall Spaß mit dieser Lektüre haben.