Die Flüsse von London 2: Die Nachthexe (Comic)

Die Flüsse von London 2
Die Nachthexe
Autoren: Ben Aaronovitch, Andrew Cartmel
Zeichnungen: Lee Sullivan
Übersetzung: Kerstin Fricke
Panini, 2019, Paperback mit Klappenbroschur, 128 Seiten, 17,00 EUR, ISBN 978-3-7416-1225-1

Rezension von Elmar Huber

Die kleine Tochter des russischen Ehepaars Yakunin verschwindet aus dem Garten ihres Hauses in Kent. Die Mutter sagt aus, dass die Kleine von einem Leshy, einem Waldgeist der russischen Märchenwelt, entführt wurde. Nachdem die ‚Nachthexe‘ Varvara Sidorovna ihr Anliegen um Hilfe abgelehnt hat, rückt Peter Grant, als Ermittler der Sondereinheit für Spezialverbrechen, in den Fokus des Ehepaars Yakunin. Um ihn zur Kooperation zu bewegen, lassen die Yakunins Peters Vorgesetzten und Lehrmeister Thomas Nightingale entführen.

 

Hatte schon Band 1 der Comic-Abenteuer von Police Constable und ‚Zauberlehrling‘ Peter Grant vollauf überzeugt, ist der vorliegende Band 2 zumindest keinen Deut schwächer ausgefallen. Damit ist die Comicserie aus Ben Aaronovichs „Die Flüsse von London“-Universum, mehr als nur ein ‚Nebenprodukt‘ der Romanreihe. Es hilft natürlich, wenn man die Romane und die Figuren bereits kennt, um alle Feinheiten vollständig zu verstehen. Alternativ hätte man gern ein erklärendes Vorwort spendieren können.

Hier geht es also um einen russischen Geschäftsmann, der beim Machtwechsel von Jelzin zu Putin die Zeichen der Zeit erkannt und daraus Kapital geschlagen hat, um in England ein sorgenfreies Leben zu genießen. Sogar solche geschichtlichen Hintergründe werden im Kontext der Story kurz abgerissen, um die Figuren und ihre Motive besser verstehen zu können.

Dass es natürlich kein Zufall ist, dass eine russische Märchenfigur ein russisches Mädchen in England entführt, dürfte klar sein, doch auf andere Weise, als man denkt. Mehr osteuropäische Folklore kommt mit den ‚Nachthexen‘ ins Spiel, magisch begabten Frauen, die zu Kriegszwecken eingesetzt wurden und von denen Varvara Sidorovna inzwischen auch im Team Nightingale spielt; die Figur kommt auch in den Romanen vor. Auch dies wird mittels Rückblenden sehr schön innerhalb des Geschehens verankert, und auch eine Verbindung zur legendären Baba Yaga wird angedeutet.

Die Story ist ausgesprochen gut konstruiert, hinreichend verzwickt, hat einige überraschende Wendepunkte im Gepäck und vergisst auch nicht, die Figuren mitzunehmen. Witzige Momente und Sprüche lockern das Ganze - very British - auf. Dabei gibt sich der ganze „Flüsse von London“-Kosmos durchaus angenehm erwachsen, wie man zum Beispiel an Peters regelmäßigen Übernachtungen bei der Flusshexe Beverly Brooke sieht.

In Sachen Umsetzung nutzt man die Stärken des bildlich erzählenden Mediums Comic. Einige Male werden Flashbacks und ‚Parallelmontagen‘ verwendet, die in Romanform so gar nicht möglich wären.

Die Zeichnungen von Lee Sullivan („Doctor Who“) haben ein durchgehend solides Niveau und drängen sich nicht in den Vordergrund. Die Kolorierung dürfte lebendiger sein.

Abgerundet wird das Paperback mit einer Galerie sehr cooler Variant-Cover, die berühmte Motive zitieren, wie etwa Füsslis „Der Nachtmahr“, „Beverly Hills Cop“, „Alice im Wunderland“, „Die üblichen Verdächtigen“ etc. Dabei ist schon das verwendete Cover-Motiv von Anna Dittmann ein absolut fantastischer Blickfang.

Eine Google-Suche ergibt übrigens, dass es im Zweiten Weltkrieg tatsächlich ein Fliegerinnen-Regiment gab, das ‚Nachthexen‘ genannt wurde: „Das sowjetische Nachtbomberregiment 588. wurde von Wehrmachtsangehörigen Nachthexen genannt. […] Es wurden nur Frauen zugelassen. Die Frauen wurden aus Aeroclubs und aus der zivilen Luftflotte rekrutiert, die Navigatorinnen waren Studentinnen.“ (Quelle: https://geschichte-wissen.de/)

„Die Nachthexe“ ist mehr als ein gelungener Fantasy-Krimi. Die Comics beweisen sich als vollwertiger Teil des „Die Flüsse von London“-Universums. Für alle Fans ohnehin ein Muss.