Michael Schmidt (Hrsg.): Zwielicht Classic 14 (Buch)

Michael Schmidt (Hrsg.)
Zwielicht Classic 14
Titelbild: Oliver Pflug
2018, Paperback, 200 Seiten, 9,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Sechs Jahre gibt es jetzt vorliegendes Magazin schon, das seine Vorbilder im angloamerikanischen Raum hat. Hier erscheinen jährlich, in gediegenen Hardcover-Editionen, die Years-Best-Horror-Anthologien, die bereits veröffentlichte, aber herausragende Geschichten sammeln und dem Leser zugänglich machen.

In einer Zeit, da keiner mehr die Vielzahl der Publikationen überblicken kann, ist es mehr als hilfreich, wenn eine fachkundige Jury oder ein Herausgeber unter tatkräftiger Mithilfe der geneigten Leserschaft eine Vorauswahl trifft, welche Storys es verdient haben, noch einmal aufgelegt und damit einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Dabei stützt sich der Herausgeber, neben dem eigenen Geschmack, auch ausgiebig und gerne auf Tipps, ohne sich hier inhaltlich oder vom Sub-Genre her einengen zu lassen.

So ist dieser vierzehnte Band auch eine Erfolgsgeschichte eines ambitionierten Magazins, das aus der Szene nicht mehr wegzudenken ist.

Neben drei klassischen Beiträgen sind es natürlich immer auch die zeitgenössischen Preziosen, die den Leser entzücken, ängstigen oder fesseln.


Den Reigen eröffnet Erik Hauser der uns in „Onkel Herberts große Stunde“ von einem älteren Zahnarzt erzählt, der im Familienkreis dafür bekannt ist, seine Verwandten mittels seiner etwas sehr phantasievollen Berichte über vermeintliche Abenteuer zu unterhalten. Bei einer Hochzeitfeier tischt er seinem Neffen die Mär auf, dass er im Wald von einem Wolf gebissen worden sei und seitdem bei Vollmond komische Anwandlungen hätte. Hätte, hätte, Fahrradkette denkt sich der Junge, bis er mitbekommt, wie der Onkel mit drei gewaltbereiten Rockern im Dunkel verschwindet.

Uwe Voehl tischt uns in „Samt und Tod“ seine ganz eigene Version des Modewahns auf. In Fernost tauchen ausgerechnet bei denen, die durch das Netz der sozialen Sicherheit gefallen sind, wunderbare Mode-Kreationen auf. Die Magazine wie Fachleute fragen sich, wie die Penner, der menschliche Abfall nur an die wunderbaren Roben kommt. Ein Großkonzern setzt einige seiner fähigsten Mitarbeiter auf die Spur der Penner, um den Modeschöpfer zu finden.

Julia Annia Jorgen greift in „Symbiose“ das alte, lange nicht mehr wirklich genutzte Motiv des Hexenhauses auf. Ein Scheidungsopfer kauft für wenig Geld ein etwas heruntergekommenes, kleines und altes Haus. Dass sie ihr neues Heim renovieren muss, ist ihr klar - doch was sie dann erwartet, überrascht die Gute dann doch ein wenig…

Mit Nina Teller besuchen wir in „Was bleibt von dir?“ eine Beerdigung. Allerdings kann sich am nächsten Tag niemand an diese, die Leiche oder deren Jugend erinnern.

Frederic Brake berichtet uns in „Flüchtige Gedanken“ von einem Gefangenen, dessen Peiniger fast göttliche Kräfte sein Eigen nennt - dumm nur, dass das Opfer selbst an seiner Situation schuld ist…

Uwe Voehl und Canker Driscoll erzählen in „Marshall Midnight“ eine Halloween-Geschichte. Seit Generationen erzählen sich die Kinder die Mär von Marshall Midnight, der den Bösen das Fürchten lehrt. Dann aber macht ein solch Böser von sich reden - vergiftete Süßigkeiten führen dazu, dass das Krankenhaus schier überquillt vor erkrankten Kindern - und mitten unter diesen…

Es ist schon ein Kreuz mit den lieben Verwandten. Auch der Junge in Karin Reddemanns „Onkel Hartmut kommt“ kann ein Lied davon singen, ist sein Onkel doch ein waschechter Mörder, der noch einige Rechnungen mit der Familie offen hat.

In Friedrich Glausers „Kif“ erzählt ein junger Mann von seinem ersten Rausch; nein, nicht  um den Teufel Alkohol geht es, Haschisch wird dem Jungen verabreicht - mit Folgen.

Gustav Meyrinks „Wie Dr. Hiob Paupersum seiner Tochter rote Rosen schenkte“ zeigt uns einen verzweifelten Professor, der um seine Tochter zu retten bereit ist, sich selbst in eine Monstrosität zu verwandeln.

Willy Seidels „Das siebenköpfige Tier“ erzählt von einem Tischler, der sich selbst als Sohn eines Apostels sieht und ins letzte Gefecht gegen das Böse zieht.

Karin Reddemann schließt den Band dann mit einer sehr persönlichen Geschichte darüber ab, in der sie erzählt wo sie ihre Inspiration für den Umgang mit der Furcht und des Unheimlichen bekommt.


Als Fazit bleibt, dass die Sammlung wieder für einige wohligschaurige Lese-Stunden bürgt, dabei stilistisch ansprechend und inhaltlich überraschend unterhält und wir hoffen dürfen, dass die nächste Ausgabe bereits in Vorbereitung ist.