Connie Willis: Dunkelheit (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 18. Juli 2018 08:10
![](/images/cover/1/0/5/5039.jpg)
Connie Willis
Dunkelheit
(Blackout, 2010)
Übersetzung: Claudia Kern
Titelbild: Martin Frei
Cross Cult, 2016, Taschenbuch, 714 Seiten, 20,00 EUR, ISBN 978-3-95981-168-2 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Christel Scheja
Mit ihrer Duologie „Dunkelheit“/“Licht“ gewann Connie Willis gleich mehrere Preise und Nominierungen bei den bekanntesten SF-Preisen der Welt - angefangen mit dem Hugo Award, über den Nebula Award bis hin zum Locus Award. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie ihr Zeitreise-Abenteuer ganz anders als normal anfasst.
Drei junge Studenten der Oxford University wollen im Jahr 2060 die Gelegenheit nutzen durch die frisch erfundene Zeitreise-Technologie in die Vergangenheit zu reisen, um Geschichte hautnah mit zu erleben. Sie entscheiden sich für die dunkelsten Jahre, die England erlebt hat, die Zeit des zweiten Weltkriegs, in der die Deutschen noch die Oberhand hatten und viele Menschen Schlimmes durchmachen mussten.
Doch es geht leider Einiges schief. Während Mike ungewollt der Evakuierung Dünkirchens näher kommt als er eigentlich will und die Schrecken des Krieges zu spüren bekommt, landet eine seiner Kolleginnen im vom Blitzkrieg angeschlagenen London und versucht sich als Verkäuferin zwischen Ruinen und Fliegerangriffen durchzuschlagen, während eine andere die Landverschickung auf interessante Art und Weise kennenlernt.
Und genau das ist es, von dem der Roman lebt, denn die Zeitreise ist nur Mittel zum Zweck, um zu zeigen, wie die Menschen die Jahre zwischen 1940 und 1944 erlebten, welche Ängste, Träume und Hoffnungen sie hatten, wie sie sich in Zeiten der Not durchschlugen aber auch veränderten, wenn sie mit Leid und Tod konfrontiert wurden.
Jeder der Helden kommt in ein eigenes Umfeld, durch das der Leser die verschiedenen Facetten des Krieges und die Auswirkungen auf die Menschen kennenlernen kann. Die Bösen bleiben dabei eher eine gesichtslose Gefahr am Rande, nicht die Angriffe sind wichtig, sondern die Folgen, die für die Menschen deutlich spürbar werden.
Für die Zeitreisenden kommt natürlich noch dazu, dass sie ihren Mund halten müssen und nichts verändern dürfen, selbst wenn ihnen die neu gewonnenen Freunde ans Herz wachsen, damit sie nichts an der Zeitlinie verändern.
Die Handlung bewegt sich zwischen diesen Ebenen hin und her, was dazu führt, dass die Spannung eher moderat bleibt, die Handlung eher durch die verschiedenen Szenen und Schicksale lebt und weniger durch irgendwelche Action.
Die Figuren lernt man dadurch umso besser kennen und schätzen, denn sie entwickeln eine Menge Profil. Allerdings verlangt das auch sehr viel Geduld und Durchhaltevermögen vom Leser, der sich mit dem langsamen Trott und dem Mäandern der Geschichte abfinden sollte, um sie wirklich zu genießen, das Ambiente wahr zu nehmen und die Entwicklungen schätzen zu können, die oft genug etwas versteckt sind.
Immerhin verliert die Autorin den roten Faden nicht und führt ihre Charaktere geschickt durch das Geschehen, gibt ihnen Ecken und Kanten, aber auch einen erfrischend natürlichen Unterton, denn die Charaktere handeln sehr normal und sind trotz ihres Wissens keine Übermenschen, die alles in die Hand nehmen wollen - eher im Gegenteil.
„Dunkelheit“ ist damit ein sehr vielschichtiger und ungewöhnlicher Zeitreise-Roman, der vor in erster Linie die Leser anspricht, die vor allem atmosphärische Romane gerne lesen, in denen es nicht auf Action, Abenteuer und Drama, sondern auf den Weg zum Ziel ankommt.