David Lozano Garbala: Puerta Oscura – Totenreise (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 13. Juni 2010 09:23
David Lozano Garbala
Puerta Oscura – Totenreise
(La Puetta Oscura – El Viajero)
Aus dem Spanischen übersetzt von Susanna Mende
Titelillustration von Alfonso Ruano
Loewe, 2010, Hardcover, , 608 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-7855-6863-7
Carsten Kuhr
Wir begegnen unserem Protagonisten Pascal in Paris. Zusammen mit seiner Familie, sein Vater ist Spanier, lebt er seit Jahren in der französischen Hauptstadt, geht hier aufs Lyzeum und ist mittlerweile in seiner neuen Heimat fest verwurzelt. Seine Freundschaft zu dem an den Rollstuhl gefesselten Dominique gibt dem etwas zurückhaltenden fünfzehnjährigen Halt, so dass er der gemeinsamen Freundin Michelle einen Antrag macht. Dass diese Zeit braucht um darüber nachzudenken, ob aus ihrer engen Freundschaft mehr wird, ist verständlich, aber nervig. Um ihr zu imponieren, begleitet er sie an Allerheiligen, zusammen mit Dominique, zu einer Gothic-Party.
Eigentlich soll er sich auf dem Dachboden des Gastgebers nur ein passendes Kostüm aussuchen, doch als er in die riesige Kiste, in der die alten Klamotten aufgewahrt werden, steigt, fällt diese zu, und er findet sich plötzlich in einer anderen Welt wieder. Hier, in der Zwischenwelt, direkt neben der Hölle, warten die Seelen, bei denen es nicht eindeutig ist wohin sie kommen darauf, dass sie weiterwandern dürfen. Doch so ganz ungefährlich ist das Warten nicht. Dunkle Wesen, finstere Geschöpfe der Nacht, suchen das Reich heim, nur auf den Friedhöfen sind die Seelen sicher.
Seit Jahrhunderten gibt es immer wieder Wanderer, die die Grenze zwischen dem Reich der Menschen und dem der Toten überschreiten dürfen. Sie allein dürfen als Lebende das Reich der Verblichenen besuchen, allerdings nur für sieben Mal und nie länger als 7 Tage. Pascal kann und will sich zunächst mit der ihm vom Schicksal zugedachten Rolle nicht abfinden. Doch das fragile Gleichgewicht zwischen den Reichen wurde durch seine unfreiwillige Reise gestört. So wie er das Zwischenreich betrat, ist einem der Wesen aus dem Land des Todes die Flucht in die andere Richtung geglückt. Ein Vampir und Gestaltwandler sucht Paris heim, ein Wesen mit gelben Augen und unbändigem Appetit auf Blut.
Vor gut einhundert Jahren gelang es den Magiern ihrer Zeit erst nach langer Zeit, den damals übergewechselten Todesbalg zu stellen und zu vernichten. Die Gazetten nannten den Flüchtigen Jack the Ripper. Nun also ist wieder ein solches Wesen los, und es sucht den Einzigen, der ihm gefährlich werden kann – Pascal. Als Michelle entführt und verschleppt wird macht sich unser Held wider Willen, unterstützt durch eine alte Wahrsagerin, auf, die geliebte Freundin zu befreien – auch wenn er dafür durch die Hölle gehen muss – buchstäblich ...
Wie jedes gute Jugendbuch zeichnet auch vorliegender Roman die gelungene Verbindung von inhaltlicher Aussage, glaubwürdiger Darstellung der heranwachsenden Identifikationsfiguren und einer packenden Handlung aus. In Spanien schon gut 100.000 Mal verkauft, macht sich der Autor nun daran, auch die Leserherzen im deutschsprachigen Raum zu erobern.
Natürlich dürfen romantische Verwicklungen nicht fehlen. Erstaunlich aber, dass genau diese weitgehend unauffällig im Hintergrund bleiben, stattdessen nur das Gefühlschaos der Pubertierenden realistisch dargestellt wird, und ansonsten Werte wie Freundschaft und Verlässlichkeit hochgehalten werden. Daneben geht es um Verantwortung. Verantwortung für sich selbst, sein Handeln, seine Freunde zu übernehmen. Das ist, zumindest in der direkten Art und Weise wie es der Autor anspricht, für einen Urban-Fantasy-Roman ungewöhnlich. Dass Garbala zudem einen behinderten Menschen als Nebenfigur aufbaut, sich auch nicht scheut offen soziale Missstände, Randgruppen und Entwicklungen anzusprechen, macht das Buch für ein breites, junges Publikum interessant. Immer wieder geht er auch auf gesellschafts-politische Entwicklungen ein, bleibt dabei sowohl sprachlich im Jargon der Jugendlichen, als auch inhaltlich auf der Höhe der Zeit. Daneben zehrt der Roman insbesondere ab dem zweiten Drittel von den atmosphärisch dichten Zeichnungen der Handlungsorte. Alte Kirchen, Friedhöfe, Hinrichtungsstätten – Garbala fährt auf, was beim Leser Emotionen weckt. Geschickt baut er alt-überlieferte Vorstellungen (Charon auf dem Styx, den Cerberus) ein, verbindet diese klassischen Elemente aber immer wieder mit der Realität der Jetztzeit. Die Ermittlungen der Polizei nach dem vermeintlichen Serienkiller haben Thriller-Charakter und sorgen neben der Handlung im Zwischenreich für weitere Dramatik und Tempo.
Insgesamt gesehen ein ungewöhnlicher Urban-Fantasy-Ansatz weitab der gängigen angloamerikanischen Vorbilder, der nicht nur Jugendliche, sondern auch erwachsene Leser ans eine Seiten bannen wird.