Sarah Lukas: Der Kuss des Engels (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 01. Juni 2010 21:08
Sarah Lukas
Der Kuss des Engels
Titelillustration von Shutterstock
Piper, 2010, Hardcover, 410 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-492-70205-8
Irene Salzmann
Sophie Bachmann hat ihren Verlobten Rafael verloren: Er wurde erschossen. In der Hoffnung, in einer anderen Umgebung mit dem Schicksalsschlag irgendwie fertigzuwerden, geht sie nach Paris, um dort einen Sprachkurs zu besuchen, der ihr beruflich von großem Nutzen ist. Trotz des anspruchsvollen Unterrichts und der malerischen Kulisse gelingt es ihr jedoch nicht, Abstand zu gewinnen. Sie ist sogar schon nahe dran, ihrem Leben ein Ende zu setzen, als …
… sie an Bord eines Schiffes auf der Seine einen Mann erblickt, der Rafe zum Verwechseln ähnlich sieht. Obwohl der Verstand Sophie sagt, dass ein Toter unmöglich zurückkehren kann, füllt sich ihr Herz mit Hoffnung. Tatsächlich begegnet sie dem vermeintlichen Rafe immer wieder, aber sein Verhalten, das völlig anders und arrogant ist, hält sie davon ab, ihn anzusprechen. Obendrein bemerkt er sie, doch scheint er sie nicht zu erkennen. Der mysteriöse Jean Méric, der sie aus einer heiklen Situation rettete, rät ihr, sich unbedingt von Rafe fernzuhalten.
Als Jean, nach dem Grund gefragt, andeutet, dass dieser ein gefallener Engel ist, will Sophie ihm nicht glauben und lässt sich mit dem Mann ein, der zwar bestreitet, Rafe zu sein, aber akzeptiert, dass sie ihn so nennt. Als ihr nach und nach Zweifel kommen, will Rafe sie nicht mehr gehen lassen. Was Sophie nun über seine wahre Natur herausfindet, ängstigt sie – und doch kann sie ihn nicht einfach aufgeben, jetzt erst recht nicht. Ist es wahr, was Jean behauptet, und es gibt wirklich keine Erlösung von der Verdammnis?
In letzter Zeit nahm die Zahl der Romantic Fantasy- und Romantic Mystery-Titel stetig zu. Erst waren es die Vampire, die die Frauenherzen eroberten, nach ihnen kamen die Werwesen, und nun sind es die Engel. Tatsächlich hat es auch schon in früheren Jahren so manchen phantastischen Roman gegeben, in denen eine junge Frau einem edlen Vampir begegnet, der sie vor seinesgleichen und anderen finsteren Kreaturen beschützt und schließlich ihre Liebe gewinnt (Freda Warrington: „Das Blut der Liebe“), in denen ein Mann an einen Werwolf-Clan gerät und zwischen Zuneigung und dem Wunsch, das Geheimnis zu lüften, schwankt (Tanith Lee: „Die Kinder der Wölfe“) oder in denen ein Engel eine Menschenfrau als Gefährtin begehrt und seine Arroganz überwinden muss, bevor sie ihn erhört (Sharon Shinn: „Erzengel“).
„Der Kuss des Engels“ ist weit weniger phantastisch als jene Romane, die mit den traditionellen Elementen aus Fantasy, Horror und SF aufwarten. Die wenigen Wendungen zum Mysteriösen dienen allein dazu, eine an sich konventionelle Liebesgeschichte mit etwas Phantastik aufzupeppen, wie es mittlerweile schon in fast allen Genres Gang und Gäbe ist. Zweifellos hätte die Handlung auch ohne das Engels-Motiv funktioniert, und eine bodenständige Lösung, wie sie immer wieder angedeutet wird, wäre möglich gewesen.
Die Autorin konzentriert sich auf die Gefühle ihrer Hauptfigur, Sophie Bachmann, die zunächst verzweifelt Ablenkung sucht, dann an Selbstmord denkt, unerwartet Hoffnung schöpft und schließlich hin und her gerissen ist, wem und was sie glauben soll. Die Wahrheit, die Jean ihr schonend zu vermitteln versucht, klingt zu bizarr, so dass sie lieber Rafe vertrauen möchte. Auch als sie sein wahres Wesen endlich erkennt, will sie ihn nicht fallen lassen und gerät dadurch in noch größere Gefahr, als Jean und selbst Rafe ahnen.
Rafe ist nicht der einzige gefallene Engel. Außer ihm gibt es andere, die Pläne schmieden, sich nach Freiheit und Macht sehnen, Vergnügen am Bösen haben. Motive aus der Kabbala, der Bibel und den Apokryphen kommen ins Spiel, werden aber nicht so weit getrieben wie beispielsweise in den „Omen“-Filmen. Spannung und Grauen kommen nur vage auf, denn „Der Kuss des Engels“ ist nun mal in erster Linie eine Liebesgeschichte.
Es gelingt der Autorin, das weibliche Publikum ab 15 Jahre, das sich für Romantacy begeistert, durch die Herz-Schmerz-Story und eine Dreiecksbeziehung der Marke ‚clean‘ zu fesseln. Die regelmäßig eingeflochtenen Beschreibungen von Paris, durch die Sarah Lukas wissen lässt, dass sie dort war, tragen wenig zur Handlung bei und lassen auch nicht die Kulisse im Kopf entstehen, hemmen manchmal sogar den Fortgang der Geschichte. Darüber kann man allerdings leicht hinwegsehen.
Alles in allem ist „Der Kuss der Engel“ ein Liebesroman mit einem Hauch Phantastik, der sich an eingefleischte Fans der Romantic Mystery wendet und ihnen all das bietet, was sie sich wünschen. Hingegen werden die Erwartungen der Hardcore-Mystery- und Horror-Leser von diesem Titel nicht erfüllt.