Becky Chambers: Der lange Weg zu einem zornigen Planeten (Buch)

Becky Chambers
Der lange Weg zu einem zornigen Planeten
(The Long Way To A Small Angry Planet)
Übersetzung: Karin Will
Fischer Tor, 2016, Taschenbuch, 540 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-596-03568-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen an Bord der „Wayfarer“, eines kleinen Tunnlerschiffes, mit dessen Hilfe gigantische Entfernungen innerhalb der Galaxis zurückgelegt werden können. Die Crew setzt sich aus Mitgliedern ganz unterschiedlicher Spezies der Galaktischen Union (GU) zusammen, die alle ihre Eigenheiten, so manches Mal merkwürdige Wesenszüge aufweisen, die sich aber alle als große Familie sehen.

Als sie von der GU das mehr als lukrative Angebot bekommen, einen Raumtunnel zu einer neu in die GU aufgenommenen Spezies im Zentrum der Galaxis aufzustoßen, beginnt eine Reise, die Crew und Schiff an den Rand dessen führt, was sie überstehen können…


Ja, wie soll man die Handlung von gut 500 Seiten zusammenfassen, wenn nicht wirklich viel passiert? Moment einmal, stimmt das überhaupt, dass nicht viel los ist?

Nun, es geht um eine Reise quer durchs Weltall, die „Wayfarer“ wird von Piraten überfallen, von Polizisten geentert und durchsucht, stößt auf Renegaten, die in einem System ohne eigene Sonne ein Heilmittel für eine ihre Art fest im Griff haltende Erkrankung gefunden haben. Das hört sich jetzt alles recht dramatisch und spannend an, ist es auch, doch stehen eben jene packenden Ereignisse gar nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Dies alles steht deutlich zurück hinter der Fähigkeit der Autorin, uns überzeugende Aliens vorzustellen. Ihre Fremdwesen sind anders als die Menschen, nicht nur äußerlich sondern auch im Denken, im Handeln und Fühlen. Und, und dies ist ebenso überraschend wie beeindruckend, die beschriebenen Besonderheiten fügen sich zu einem glaubwürdigen, interessanten und faszinierenden Ganzen. So unterschiedlich die Charaktere auch sind, immer wieder finden sie einen Konsens, halten zusammen und begegnen den Gefahren gemeinsam. Dass sie dabei zum Beispiel dem Überfall der Piraten gewaltlos entgegentreten, dass die Piraten selbst mit einer glaubwürdigen Motivation ihrer Tat ausgestattet werden, trägt zum Lesevergnügen und zur Überzeugungskraft des Romans bei.

Hier hat eine Autorin ihre kleinen grauen Zellen angeworfen und sich andere als die gewohnten Lösungsansätze überlegt. Statt wie schon die Cro-Magnons auf Aggression mit Gewalt zu antworten, reagiert unsere Crew überlegt und pazifistisch, und dies liest sich mindestens ebenso spannend wie Weltraumgefechte der gigantischen Art.

Das ist einmal Science Fiction die sich mehr um das Individuum dreht, überlegt wie es in den Raumfahrern aussieht, wie sie sich angesichts der Gefahren - aber auch Schönheiten - des Alls verhalten, als nur ein stereotypes Wild-West-Szenario ins All zu verlegen. Wir bangen mit den Figuren, fühlen mit ihnen mit, selbst die KI weist anheimelnde Züge auf, so dass die Zeit der Lektüre wie im Flug vergeht.

Ein etwas anderer, intelligenterer und vorzüglich übersetzter Roman erwartet den Leser, der einmal außerhalb der gewohnten Pfade unterwegs ist - es lohnt sich!