Mezolith 1 (Comic)

Ben Haggarty
Mezolith 1
(Mezolith Book One, 2010)
Übersetzung: Frank Neubauer
Titelbild und Zeichnungen: Adam Brockbank
Cross Cult, 2016, Hardcover, 96 Seiten, 25,00 EUR, ISBN 978-3-86425-988-3

Rezension von Irene Salzmann

Der Junge Poika und sein Stamm sind steinzeitliche Jäger und Sammler. Ihr Leben ist hart, entbehrungsreich und gefährlich. Die Natur, wilde Tiere, andere Stämme und Krankheiten oder ein Unfall können jederzeit zu einer ernsthaften Bedrohung werden. Poika träumt davon, endlich mit den Jägern losziehen und seinen Teil beitragen zu dürfen, dass die Menschen, die ihm nahestehen, Fleisch haben. Dieser Traum scheint ausgeträumt, als er sich bei der Stierjagd von den Frauen trennt, die das Tier den Männern entgegentreiben sollen, und von ihm verletzt wird.

 

Die Wunde will nicht heilen, und seine Familie fürchtet um Poikas Leben. Unverhofft erscheint die Schamanin Korppi Velho und bringt eine Medizin. Der Junge erholt sich, und obwohl sein Bein zunächst schwach ist und schmerzt, will er die Jäger weiterhin begleiten. Als sie einen Waldbrand entdecken, müssen sie fliehen. Poika rät, einer Biene zu folgen, durch die sie tatsächlich dem Feuer entkommen, doch geraten sie dadurch auf das Territorium eines anderen Stammes. Dessen Männer geben sich jedoch nicht damit zufrieden, den unfreiwilligen Eindringlingen nur die Beute abzunehmen. Linke Hand, Poikas Vater, soll mit dem Bogen einen Pfeil vom Kopf des Sohnes schießen…


Im Interview, geführt von Dimitrios Charistes, verraten Autor Ben Haggarty und Zeichner Adam Brockbank, die beide langjährige Bekannte sind, wie die Comic-Reihe, welche an Kinder und Jugendliche adressiert ist, entstand. Sie plaudern aus dem Nähkästchen und erlauben dem Leser einen Blick hinter die Kulissen. Desweiteren findet man je einen kurzen Steckbrief der Künstler nebst Foto.

Die Geschichte beginnt mit einer Alltagssituation: Poika entdeckt einen Stier, dessen Fleisch den Stamm viele Tage ernähren könnte, und informiert die erwachsenen Männer. Zwar verläuft die gefährliche Jagd erfolgreich, doch fordert sie ein Opfer - ausgerechnet Poika, der für seinen Mut vielleicht damit bezahlen muss, dass er nie ein Jäger sein wird, falls er überlebt.

Bereits dieses Szenario macht deutlich, dass das Künstler-Team großen Wert auf Realismus legt und das Leben der Steinzeitmenschen weder beschönigt noch romantisiert. Für jüngere Leser, die sich womöglich bereits mit Poika zu identifizieren begonnen haben, ist das ein ziemlicher Brocken. Doch die Hauptfigur erholt sich - klar, sonst wäre der Comic sehr früh zu Ende gewesen.

Trotz seines Beines erweist sich Poika als zäh und ehrgeizig. Er gibt nicht auf und schließt sich den Jägern an, wann immer es möglich ist. In welche Situation sie auch geraten, stets erweist er sich als tapfer, aufmerksam und klug. Außerdem weiß er, dass er den Menschen seines Stammes vertrauen und in der Not auf sie zählen kann. Beim ersten Aufeinandertreffen mit dem Eulenstamm lässt Wilhelm Tell grüßen.

Die nachvollziehbaren Erlebnisse vermischen sich mit Visionen und Mythen, die man sich am Lagerfeuer erzählt. Hin und wieder verwischen die Grenzen von Realität, Traum und Sage, wenn den Menschen vor einer schweren Prüfung Zeichen gegeben werden, sie zum Beispiel eine Gefahr abwenden oder um ihr Leben kämpfen müssen. Was der Fantasie entsprungen scheint, um Unerklärliches zu erklären, verfügt über einen wahren Kern - und hierdurch erhält der Histo-Comic einen vagen Fantasy-Hauch.

Ben Haggarty und Adam Brockbank lassen ihr Publikum in Wort und Bild an den Freuden und Sorgen der Protagonisten teilhaben. Durch seine Erlebnisse ist Poika beständig am Lernen, und er reift früh, sodass er schließlich die Achtung der Erwachsenen erringt und dadurch belohnt wird.

Die Zeichnungen passen zu der Story. Auch sie sind realistisch und in keinster Weise idealistisch. Manche Menschen sind attraktiv, andere hässlich; sie sind jung, in mittleren Jahren und alt. Sie alle sind klein im Vergleich zur Natur, die in erdigen, gedeckten Farben einen glaubwürdigen Hintergrund liefert.

„Mezolith“ 1 ist ein nachvollziehbar erzählter Comic aus der Frühzeit der Menschen mit natürlich anmutenden Illustrationen. Man möchte ihn in den All-Age-Bereich einordnen und in Hinblick auf die gelegentlich doch recht harten Szenarien empfehlen, dass die jungen Leser wenigstens zehn Jahre alt sein sollten. Eltern wissen am besten, ob ihr Kind bereits mit einer Eskalation, in der Sympathieträger schwer verletzt werden oder dem Tod nahe sind, umgehen kann.

Eine realistische, ungeschönte, spannende Lektüre mit ansprechenden Bildern!