Gerd-Michael Rose (Hrsg.): Heimkehr - Thüringen morgen und übermorgen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 09. Oktober 2016 10:07
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Gerd-Michael Rose (Hrsg.)
Heimkehr - Thüringen morgen und übermorgen
Titelbild: Mario Franke
Innenillustrationen: Lena Lemke und Reinhard Walter
TES, 2016, Paperback, 304 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-945850-04-6
Rezension von Carsten Kuhr
Anthologien, Kurzgeschichten-Sammlungen - noch dazu utopischen Inhalts - verkaufen sich nicht eben wie geschnitten Brot. Das ist und bleibt leider eine Wahrheit, an der auch noch so bewundernswerte Versuche dies zu ändern letztlich nicht rütteln. Die einzige Chance, die man als Herausgeber heutzutage hat, ist die regionale Schiene zu nutzen. Wir kennen dies von den entsprechenden Krimi-Editionen, die über den lokalen Bezug und Vertrieb einen Absatz generieren, der das verlegerische Wagnis abdeckt.
Gerd-Michael Rose, selbst Autor, Verleger und Kenner der utopisch-phantastischen Literatur des ehemaligen Ostblocks, hat dies erkannt und sich dennoch oder auch gerade deshalb befleißigt gefühlt, eine SF-Anthologie aufzulegen. Die Beiträge sollten von regionalen Verfassern stammen und möglichst auch einen inhaltlichen Bezug zu Thüringen aufweisen. In einem schmucken Paperback legt Rose dann insgesamt acht Erzählungen vor.
Hannah Rose erzählt uns in ihrer Geschichte „Heimkehr“ von einer jungen Frau, die, nachdem sie mehrere Jahre in Australien gelebt hat, in ihre Heimat nach Erfurt zurückkommt. Schon auf der Zugfahrt bemerkt sie die Enge, die Unfreundlichkeit ja Ablehnung der mitreisenden Deutschen. Als sie aus dem altehrwürdigen Bahnhof tritt aber erwartet sie eine ganz andere Kulisse, als sie diese in Erinnerung hat…
Stilistisch ansprechend und mit einem feinen Gespür für Nuancen und Verhaltensmuster überzeugt diese kurze Geschichte.
Jürgen Walter entführt uns in „Chrull“ zum ersten Kontakt mit einem friedlichen Alien-Volk. Ausgerechnet der nicht eben überragende Leutnant George Tawler wird über die unbestechlichen Computer als der ideale Kontaktmann ausgewählt. Und Tawler hat nun ein Problem: Er hat einen gestaltwandelnden Alien am Hals, ein Monster. Doch dann entpuppt sich das Alien als ganz umgänglicher Mensch. Um sich besser kennenzulernen besuchen sie zusammen Georges thüringische Heimatstadt, in der sie einen ganz besonderen Bezug zueinander finden.
Relativ vorhersehbar bleibt der Plot hinter seinen Möglichkeiten leider etwas zurück.
Rolf Krohn verzaubert uns in „Donnerstein“ mit einem modernen Märchen. Kurz nach der Wende führt ein Betriebsausflug eine Gruppe nach Thüringen. Einer der Angestellten sieht in der Wirtschaft im Tal das Bild einer Burg. Zusammen mit dem Maler und einer Kollegin macht er sich auf, die Ruinen zu besuchen. Doch wie anders, als auf dem Bild sieht es hier aus. Dann zieht ein Nebel heran, ein Zeitfenster in eine längst vergangene Zeit und einen verschwundenen Ort öffnet sich…
Unzweifelhaft einer der besten Beiträge des Bandes. Krohn, dessen Geschichten die Lektüre immer wert sind, verzaubert einmal mehr atmosphärisch dicht und inhaltlich ebenso märchenhaft wie packend.
Gerd-Michael Rose berichtet uns in „Der Ungebetene“ von der Heimsuchung eines Feriendorfs. Während sich die Jugendleiter im März daran machen, die Bungalows für die sommerliche Freizeit vorzubereiten, stoßen sie auf Spuren von unbekannten Tieren. Der örtliche Förster ruft einen Tierpfleger aus dem Zoo hinzu - doch dann bricht die Nacht an, die Zeit der Jagd.
Keine wirklich phantastische Geschichte, aber eine Story, die von ihrer inneren Spannung lebt und den Leser unterhält.
In Gerd Bedszents „Finklbergs Plan“ begleiten wir einen Journalisten bei seiner Recherche. Ein Teil eines alten Nazi-Plans einer Wunderwaffe ist aufgetaucht, nun soll der Ich-Erzähler Bauer herausfinden, was sich hinter der Zeichnung und den damit verbundenen Schicksalen verbirgt. Spuren führen zum KZ Dora-Mittelbau und den dort forschenden von Braun und Professor Finklberg - nur zu bald aber mischen sich auch rechtsextreme Kreise in die Recherchen des Journalisten ein; es scheint doch mehr an der Wunderwaffe zu sein, als ursprünglich vermutet.
Unzweifelhaft die Beste der im Band enthaltenen Geschichten. Die Novelle mit immerhin 133 Seiten Umfang überzeugt nicht nur durch die ihr innewohnende Brisanz - der Autor greift die aktuell nicht nur im Osten um sich greifenden rechtsradikalen Umtriebe auf -, sondern überzeugt sowohl stilistisch wie durch den straff aufgezogenen, interessanten Plot.
Dr. Axel Wolfs „Such den Atomschatz“ entführt uns in eine dystopische Zukunft, in der die Überlebenden in eine primitive Stammeskultur zurückgefallen sind und nach einem Schatz suchen - dem Atomschatz.
Ein recht kurzer Beitrag, der uns die Welt nach einer Katastrophe vorstellt, ohne sich dabei aber von den Vorbildern wirklich abheben oder lösen zu können.
Detlef Köhlers „Jarons Schmicat“ berichtet uns von einer Raumschiff-Kommandantin aus Mitteldeutschland, die im Arcturus-Sonnensystem auf einen Dysonring und die Spuren einer technologisch weit überlegenen Rasse stößt. Bei der Havarie ihres Landebootes nehmen die Wesen Kontakt auf und übermitteln einen Vorschlag, der eigentlich nicht abzulehnen ist.
Detlef Köhler legt einen durchaus interessanten Plot vor, der Geheimnis, Dramatik und eine Fremdrasse für den Leser bereithält. Als studierter Astronom hängt er seine Handlung an der Entdeckung einer Anomalie bei der Suche nach einem Exoplaneten durch einen thüringischen Astronomen auf. Kurz und knackig, dabei aber interessant führt er seine Leser durch seine Handlung.
Den Abschluss macht Nils Wiesner der in „Miles De Tanhusen“ die Tannhäuser-Saga zu neuem, aktuellen Leben erweckt.
Auch hier kann man sagen: In der Kürze liegt die Würze. Anzumerken ist, dass der Autor erfreulicherweise eine außerhalb der Oper fast gänzlich vergessene Sage zu neuem Leben erweckt und diese gelungen in einen aktuellen Bezug setzt.
Alles in allem eine recht abwechslungsreiche Zusammenstellung, in der insbesondere die Beiträge von Gerd Bedszent, Rolf Krohn, Detlef Köhler und Hannah Rose herausragen.