Matthias Falke: Zhid (Buch)

Matthias Falke
Zhid
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2015, Paperback, 3756 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-86402-241-8 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

„Zhid“ ist der zweite, relativ in sich abgeschlossene Band von Matthias Falke, der dem Agenten Straner gewidmet ist, der in „Bran“ erstmals auftauchte. Die in „Zhid“ geschilderten Ereignisse finden zehn Jahre später statt und knüpfen mehr oder weniger locker an die damaligen Konflikte an und entwickeln sie erheblich weiter.

 

Straner, ein Agent Rangkors, hat sein einstiges Leben hinter sich gelassen und Erfüllung im familiären Idyll auf der abgelegenen Welt Selinaor gefunden. Dieses beschauliche Dasein endet jäh, als sich auf Zhid die Infantin Kundali durch einen Putsch zur Khanin erklärt und den gesamten Cluster angreift - mit einer Technologie, an die sie nur durch Verrat gelangen konnte und die selbst der von Rangkor überlegen ist.

Obwohl Straner eigentlich nicht will, folgt er dem Ruf der Politiker, denn seine Frau Cejla fürchtet um das Leben ihrer Angehörigen auf Zhid, und es gibt keinen, der Kundali besser kennt als er, schließlich war er ihr Liebhaber, bis sie seiner überdrüssig wurde. Zusammen mit Cejla reist Straner nach Zhid, zunächst um die Lage auszukundschaften, dann um mit der Khanin zu verhandeln, schließlich um die Verwandten und seinen und Cejlas ältesten Sohn zu befreien, der von Selinaor entführt wurde.

Jedesmal werden die Agenten aufgespürt und gefange genommen. Zwar haben Straner und Cejla viele Kenntnisse und Tricks auf Lager, doch sie müssen die Überlegenheit von Kundali immer wieder anerkennen, und die grausame Khanin genießt diese Situationen… auch persönlich.


Man kann „Zhid“ problemlos lesen, auch wenn man „Bran“ nicht kennt. Tatsächlich vermisst man in dem Buch einen Hinweis auf den Vorgänger-Band oder weitere Titel des Autors, was man bestimmt auf der Editorial-/Impressum-Seite hätte unterbringen können. Was man über das Vorher wissen muss, ergibt sich aus der Handlung.

Straner ist die Hauptfigur, aus dessen Perspektive in dritter Person und im Präsens berichtet wird. Er ist ein Ex-Agent, der einerseits dankbar ist, dass er mit seiner Familie nicht mehr im Fokus des politischen Geschehens steht, andererseits rastlos wirkt, da er dem Idyll nicht traut und darum seine Söhne auf das Überleben in der Wildnis vorzubereiten versucht. Als dann die Katastrophe hereinbricht und er wieder in seinem Element ist, lebt er regelrecht auf, wie ein Fisch im Wasser.

Im Auftrag Rangkors begibt sich Straner zusammen mit seiner Frau Cejla nach Zhid, um herauszufinden, dass alles noch viel übler ist, als es zunächst den Anschein hatte. Die weit unterlegene Welt hat enorm aufgeholt und vor allem aufgerüstet und ist auch aufgrund ihres Menschenreichtums (eine hohe Geburtenrate) den anderen Welten des Clusters überlegen, sodass sie die Verluste, die beide Seiten treffen, ohne ein Wimpernzucken in Kauf nimmt.

Noch schlimmer aber ist die Art der Überlegenheit, der Rangkor nichts entgegenzusetzen hat. Die Technologie, die Straner durchaus bekannt ist, wurde weiter entwickelt, doch gibt es Zweifel, dass dies auf Zhid geschah. Der Agent ist sich sicher, dass es eine undichte Stelle gibt, doch die wahren Ausmaße kann auch er nicht erahnen - wenngleich dem Leser schon zu Beginn die richtungsweisenden Informationen ganz nebenbei vorgeworfen wurden.

Doch die Vielzahl an vergeblichen Versuchen, Kundali auszukundschaften und zur Vernunft zu bringen, lassen die Hinweise in den Hintergrund treten. Das hat Matthias Falke gut gemacht. Wie seine Hauptfiguren immer wieder aus kritischen Situationen trotz ‚eingeschränkter/zerstörter‘ Cyberware hinauskommen, wirkt hingegen etwas an den Haaren herbeigezogen, genauso wie der große Plan im Hintergrund, der so vage angedeutet wird, dass ihn bloß erfahrene Leser wittern, und der am Ende seinen Initiator zu deus ex machina macht. Das wirkt einfach zu bombastisch, zu konfus und um den rettenden Ausweg bemüht.

Man weiß auch nicht so recht, ob man „Zhid“ spannend und seine Charaktere interessant finden soll. Die Ereignisse ufern immer mehr aus und werden utopisch-technologisch erklärt, die Protagonisten bleiben distanzierte role models, die in ihrem Auftrag aufgehen, aber den Leser nicht unbedingt erreichen. Die ‚Guten‘ sind gut, die ‚Bösen‘ = Kundali sind böse und pervers, und dazwischen gibt es noch einige Graustufen. Viele Details sind jedoch nebensächlich oder ergeben erst später einen Sinn. Man hätte durchaus wohltuend straffen können.

Hinzu kommt noch eine erotische Komponente, wie man sie aus den Paranormal Romances für die weibliche Leserschaft kennt. Der Unterschied ist, dass das Paar feststeht, es aber von der/Straners Vergangenheit eingeholt wird und die Ex eine grausame Rächerin ist, wie sie gewiss auch das männliche Publikum nicht unbedingt in seinen Träumen haben will. Zumindest spart sich der Autor die menage à trois.

„Zhid“ ist ein seltsames Buch, von dem man nicht weiß, ob es aufgrund der gefährlichen Situationen eher spannend oder der nicht immer notwendigen Details, die vieles hinauszögern, langweilig ist, ob  man die Hauptfiguren sympathisch oder doch neutral-distanziert finden soll.