Bernd Perplies & Christian Humberg: Der goldene Machtkristall - Die unheimlichen Fälle des Lucius Adler 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 30. April 2016 10:03
Bernd Perplies & Christian Humberg
Der goldene Machtkristall
Die unheimlichen Fälle des Lucius Adler 1
Titelgestaltung von Max Meinzold
Thienemann, 2016, Hardcover, 256 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-522-61061-2 (auch als eBook erhältlich)
Von Karl E. Aulbach
Der Jugendliche Lucius Adler ist der Sohn der Meisterdiebin und Bühnenzauberin Irene Adler, und wer bei diesem Namen eine Verbindung zu Sherlock Holmes zieht, liegt genau richtig. Ob Lucius indes der Sohn des großen Detektivs ist, bleibt in dem Roman offen. Jedenfalls liefert Irene den Burschen, als sie wieder einmal verfolgt wird, in der Baker Street in London ab.
Dort langweilt er sich bei Sherlock Holmes, Dr. Watson und der guten Mrs. Hudson zumindest solange, bis Mycroft Holmes ihn in seinen berühmten Diogenes Club mitnimmt, wo er endlich gleichaltrige Freunde trifft und prompt in ein Abenteuer gerät.
Einer seiner neuen Kameraden ist der Sohn des berühmten Forschers Allan Quartermain, der gerade von einer Expedition aus Afrika zurück ist und eine Ausstellung seiner Fundstücke vorbereitet. Insbesondere Theodosia, die eine gewisse Ader für übersinnliche Phänomene hat, reagiert auf einen Kristall, der im Kopf einer Statue untergebracht ist.
Besagter Kristall wird in Folge gestohlen, und die Gruppe der Jugendlichen, die noch durch einen ‚Erfinder‘ mit seinem ‚Automatenbutler‘ verstärkt wird, macht sich natürlich auf die Suche nach dem Dieb. Dabei erfahren sie, dass der Kristall die Macht hat, Menschen zu hypnotisieren, und erleben allerlei Abenteuer.
Es ist schwer, dem Buch gerecht zu werden. Auf der einen Seite erfüllt es fast alle Ansprüche an ein leidlich spannendes und gut lesbares Jugendbuch; auf der anderen Seite ist es geradezu ein Musterbeispiel für ein wie am Reißbrett erzeugtes Marktprodukt. Bereits das Grundkonzept mit seinen Anspielungen auf die genannten, sehr bekannten Figuren macht neugierig und verleitet zum Kauf. Die gewünschten Antworten erhält der Käufer im Text indes nicht. Man könnte fast vermuten, dass es an der Bequemlichkeit der Autoren liegt, aber sehr viel wahrscheinlicher liegt hier die Planung zugrunde, solche Informationen in künftigen Fortsetzungen häppchenweise freizugeben und so die Leser bei der Stange zu halten.
Die spannende und schnelle Handlung und eine gewisse Exotik in der Beschreibung täuschen ein wenig darüber hinweg, aber bei genauer Betrachtung bleibt von den Charakteren nicht viel übrig. Fast alle Personen werden durch einen einzigen Wesenszug charakterisiert, das wird besonders auffällig am Beispiel des Dr. Watson, der nur als permanent „hungrig“ in Erinnerung bleibt. Ansonsten sind die Figuren beziehungsweise besser: ihre Fähigkeiten rein zweckbestimmt ausgelegt um eine spezifische Funktion in der Geschichte ausfüllen zu können. Bei solchen Werken hat man oft den Eindruck, dass sie für ein bestimmtes jugendliches Zielpublikum geschrieben und bewusst einfach gehalten werden. Dies verkennt jedoch - so hofft man zumindest -, dass die Jugendlichen einen weit größeren Horizont haben, als mitunter unterstellt wird.
Auch der Hintergrund des Buches, das viktorianische England, zeugt nicht von allzu gründlicher Recherche. Man hat sich hier völlig ohne Not an Steampunk-Elementen bedient, um auf Teufel komm raus gewisse Effekte darzustellen, und nutzt ansonsten den historischen Hintergrund bestenfalls als Staffage. Völlig unnötig wimmelt es im Text von Luftschiffen und aller Arten von dampfgetriebenen Maschinen. Selbst der ‚Automatenbutler‘ - wir würden wohl besser Roboter sagen - stößt Dampfwolken aus. Woher er seine überragende künstliche Intelligenz bezieht, ist wieder eine der unbeantworteten Fragen. Dass allein durch die Existenz derartiger Maschinenwesen die beschriebene Handlungswelt völlig obsolet geworden ist, sei nur am Rande erwähnt.
Inwieweit die Zusammenarbeit zweier eigenständig ganz guter Autoren dafür verantwortlich ist, dass das Buch manchmal wie eine „Ideenflickschusterei“ wirkt, lässt sich schwer von außen beurteilen. Man hat den Eindruck, dass dem Werk dadurch ein wenig die ‚Seele‘ fehlt, dass es zu ‚weich gespült‘ wurde. „Jedem recht getan ist eine Kunst, die niemand kann“ - dieser Spruch scheint ein wenig als Motto für das Buch zu passen. Soll meinen, dass man versucht hat, für jeden Leser etwas einzupacken, was in der Summe dazu geführt hat, dass insgesamt zu wenig Tiefgang vorliegt. Das merkt man auch an den Beziehungen zwischen den Handlungsträgern, die nicht über das absolut Notwendige hinausgehen. Bei der Personenauswahl hätte man doch sehr vermutet, dass auch zumindest eine angedeutete romantische Komponente eine Rolle spielen würde - aber auch das ist ein Trugschluss. Diese minimalistische Beschreibungsform führt dazu, dass man als Leser nicht wirklich innerlich Anteil am Leben der Helden nimmt und von daher auch wenig Interesse an eventuellen Fortsetzungen hat.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Roman, als reine Unterhaltungsliteratur gesehen, ganz gut durchgeht, aber keine tiefgründigen Ansprüche erfüllen kann und von daher wohl nicht allzu lange im Gedächtnis bleiben wird.