Peter Clines: Der Spalt (Buch)

Peter Clines
Der Spalt
(The Fold, 2015)
Deutsche Übersetzung von Marcel Häußler
Heyne, 2016, Taschenbuch, 526 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-453-31705-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Gunther Barnewald

Zuerst ein Kompliment an den Verlag für die clevere  Umschlaggestaltung durch die Firma Das Illustrat, denn bei einem flüchtigen Blick über das Cover hat man tatsächlich den Eindruck, bereits in der Front des Taschenbuchs tue sich ein Spalt auf, in den man hinein langen könne.

Der Inhalt ist dann leider etwas weniger spektakulär, aber jederzeit gut lesbar. Vor allem beherrscht der Autor das Spiel mit der Spannungsschraube perfekt!

Auf den ersten 200 Seiten kommt die Geschichte noch etwas dröge und bräsig daher und leider schleppend in Gang. Als Leser wird man den Eindruck nicht los, dass eine Kürzung von 50 bis 70 Seiten die Erzählung in genau richtiger Art und Weise gestrafft hätte. Erst jenseits des ersten Drittels entfaltet die Geschichte dann ihren vollen Reiz, bekommt durch die Anreicherung mit Horror-Elementen im letzten Drittel sogar noch einen speziellen Kick, der dazu führt, dass der Leser gänzlich gebannt die Handlung verfolgt, obwohl diese an Glaubwürdigkeit immer mehr abnimmt. Dies geht jedoch in der packenden Geschichte völlig unter.


Erzählt wird zu 95 Prozent aus der Sicht des sympathischen Genies Leland „Mike” Erikson, der zu Beginn der Geschichte als Lehrer arbeitet. Obwohl Mike hochintelligent ist und über ein eidetisches Gedächtnis verfügt, hat er sich entschlossen, auf einen Status als Nerd zu verzichten und ein normales Leben zu führen. Bis zu jenem Tag, als sein alter Schulkamerad Reggie sich bei ihm meldet und ihm ein interessantes Forschungsobjekt offeriert.

In der kalifornischen Wüste bei San Diego haben Wissenschaftler begonnen, mit Materietransmission zu experimentieren. Nach einigen erfolglosen Versuchen ist es ihnen gelungen, eine Art Tor zu bauen, vermittels dessen man scheinbar in Nullzeit von einem Ort zum anderen reisen kann. Trotz weit über 100 vermeintlich erfolgreicher Reisen, ist nun etwas Seltsames passiert: Einer der Reisenden erkannte bei der Rückkehr nach Hause seine Ehefrau nicht mehr wieder. Ein Versehen? Ein Unfall? Oder Anzeichen einer beginnenden Katastrophe?


Wer die alte Serie „The Twilight Zone“ kennt, der wird nicht lange rätseln, was wirklich hinter den Problemen steckt. Trotzdem schafft es der Autor, die immer hanebüchener werdende Handlung glaubhaft zu verkaufen und den Leser gegen Ende dermaßen mit Haut und Haaren zu packen, dass Logik bald gar keine Rolle mehr spielt.

Dieser Geschichte zu folgen macht einfach, wenn man die ersten 150 Seiten einmal überwunden hat, unbändigen Spaß. Auch wenn die Charaktere, bis auf den Protagonisten, flach bleiben und man gewisse Reminiszenzen an Filmklassiker nicht leugnen kann (vor allem der witzige Gruselfilm „Beetlejuice“ dürfte hier Einfluss gehabt haben; man denke an die herrliche Szene, wenn das tote Ehepaar das Haus verlassen will, diese hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem, was der vorliegende Roman gegen Ende erzählt!), so ist „Der Spalt“ doch gute SF-Unterhaltung, obwohl der erfahrenen Leser viel schneller als jeder der beteiligten Wissenschaftler kapiert, wie der Hase wirklich läuft.

Wer nicht zu viel an Logik und Innovation erwartet, der wird bei Clines' Roman voll auf seine Kosten kommen. Und wer die Verbindung von SF und Horror mag, wird sowieso begeistert sein. Kein Meilenstein und durchaus mit gewissen Schwächen behaftet, stellt „Der Spalt“ packende und gegen Ende recht gruselige Unterhaltung dar; nicht mehr, aber auch nicht weniger.