Cynthia Hand: Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks (Buch)

Cynthia Hand
Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks
(The Last Time We Say Goodbye, 2015)
Übersetzung: Sarah Heidelberger
HarperCollins YA!, 2015, Hardcover, 304 Seiten, 16,90 EUR, ISBN 978-395967-002-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

HarperCollins bietet zum Start der Young-Adult-Reihe „Ya!“ nicht nur übernatürliche Romanzen, sondern auch ein Buch, das der Lebenswirklichkeit der angesprochenen Leserschaft vermutlich näher kommt als alles andere. Mit „Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks“ widmet sich die Autorin der „Unearthly“-Trilogie nun einmal einem Thema, das auch sehr ernste Hintergründe hat.

 

Bis zum 20. Dezember des vergangenen Jahres war Lexie einfach nur glücklich und zufrieden mit sich und der Welt. In der Schule erzielte sie nur Bestnoten, die ihr durchaus den Weg zu ihrem Traum öffnen könnten, wenn das ausgesuchte College, an dem sie Mathematik studieren will, sie auch nimmt. Dafür hat sie hart gearbeitet und gespart. Und sie hat in der Zeit auch einen guten Freund gefunden. Dann, nur wenige Tage vor Weihnachten bringt sich ihr kleiner Bruder Tyler um, und alles wird anders. Die anderen sehen in ihr plötzlich nur noch das Mädchen, dessen Bruder sich selbst getötet hat - und nicht alle können damit umgehen. Und sie selbst fragt sich, immer wieder, warum sie vorher keine Anzeichen dafür entdeckt hat, weshalb sie seine letzte SMS nicht ernst genommen hat. War vielleicht alles ihre Schuld?

Der Therapeut, der sich um sie kümmert, gibt ihr - nachdem alles andere nicht funktioniert und sie Medikamente ablehnt, den Rat, ein Tagebuch anzufangen. Und genau diese Aufarbeitung der vergangenen Wochen hilft Lexi nach und nach zu ergründen und zu verstehen, was ihrem Bruder zum Selbstmord getrieben hat. Dadurch findet sie schließlich auch den Weg zurück in ihr eigenes Leben und die Zukunft.


Auch wenn es einige vage phantastische Elemente geben mag, die Autorin selbst macht sehr deutlich klar, um was es ihr in dem Buch wirklich geht. Daher ist der Hintergrund auch möglichst lebensnah gewählt. Lexi und Tyler stammen aus keiner heilen Familie, sie sind Scheidungskinder, deren Mutter alles dafür getan hat, um ihren Kindern einen guten Start ins Erwachsenenleben zu bieten. Und der Vater hat den entsprechenden Schaden hinterlassen, weil er mit einer jüngeren Frau davongegangen ist.

Die Spannung bezieht die Geschichte aus zwei Dingen. Die Leser erfahren erst nach und nach die Begleitumstände des Todes und forschen zusammen mit der Titelheldin nach, welche Gründe der kleine Bruder dafür hatte. Nach und nach fügen sich die Hinweise wie Puzzleteile zusammen und enthüllen das, was wirklich dahintergestanden hat.

Durch die Ich-Erzählung steht man Lexi besonders nah. Da sie ein ganz normales Mädchen ist, das irgendwo mittendrin steht, kann sie leicht zur Identifikationsfigur werden, die das Verständnis und die Anteilnahme noch intensiver werden lassen. Liebe und Romantik sind allerdings nur ein kleiner Teil der Geschichte. Die Autorin verzichtet bewusst zugunsten der Entwicklung der Heldin darauf, die Beziehungen zu irgendwelchen Jungs zu intensivieren und auch noch irgendein Drama in diesem Bereich mit einzubringen. Umso echter fühlt sich die Geschichte dadurch an. Auch die Auflösung kann sich sehen lassen, ist sie doch zugleich unerwartet und glaubwürdig, passt angenehm in den erarbeiteten Kontext, so dass keine Wünsche offen bleiben. Das Thema Selbstmord wird zudem angemessen behandelt und lässt den Leser am Ende auch nicht mit einem unguten Gefühl zurück.

„Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks“ ist ein Roman, der gerade junge Leser ansprechen dürfte, taucht er doch tief in die Lebenswelt der Zielgruppe ein und behandelt auch ernste Inhalte mit denen der ein oder andere vielleicht schon konfrontiert wurde. Gerade die feinfühlige und lebensnahe Erzählweise weiß zu fesseln und in den Bann zu schlagen, Spannung zu erzeugen, ohne dabei in unglaubwürdiges Drama abzugleiten. Deshalb lohnt es sich durchaus einem Blick zu riskieren, wenn man nicht nur über Liebe und Romantik, sondern auch weit ernstere Themen lesen will, mit denen man auch als junger Mensch konfrontiert werden kann.