Thomas Ligotti: Grimscribe – Sein Leben und Werk (Buch)

Thomas Ligotti
Grimscribe – Sein Leben und Werk
(Grimscribe: His Lives and Works)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Siefener u.a.
Titelillustration von Diana Dihaze
Festa, 2015, Hardcover, 318 Seiten, 28,00 EUR, ISBN 978-3-86552-320-4 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Den US-amerikanischen Phantasten Thomas Ligotti kennen bei uns nur wenige Leser. Vor Jahren erschienen, damals herausgegeben von einem „gewissen“ Frank Festa, im BLITZ-Verlag einige Kollektionen mit Geschichten des Autors, auch DuMont hat einen kleinen Band aufgelegt; danach wurde es still um den Mann, der von sich selbst sagt, dass er keinem großen Publikum bekannt sein möchte. Und dies ist eine Schande!

Auch wenn Ligotti kein Vielschreiber, schon gar kein Autor ist, der umfangreiche Romane oder gar Serien am Fließband produziert, zählen seine Geschichten doch zu den beeindruckendsten Werken der modernen Phantastik. Dabei vermeidet er es ganz bewusst, aktuellen Trends hinterherzuhecheln; wer auf Splatter, auf plakative Gewaltschilderungen oder unappetitliche, ja perverse Darstellungen steht, der ist hier definitiv falsch.

Ligotti ist ein Autor, der seine Sprache sehr bewusst einsetzt, der mit dieser spielt, Andeutungen macht, Atmosphäre aufbaut und so seine Leser in den Bann seiner unheimlichen Geschichten zieht. Umso wichtiger, dass der Verlag hier sehr gute Übersetzer an Bord geholt hat, die diese Beispiele exzeptioneller Prosa auch adäquat umsetzen können. Sie sind selbst Autoren, und nicht eben die schlechtesten, die unser Sprachraum zu bieten hat, und wenn man die Novellen und Geschichten auf sich wirken lässt, wird man feststellen, dass sie sich sehr Mühe gegeben haben, dem Autor und seinem Werk ihre Hochachtung zu zollen.

Die Beiträge des Bandes mögen nicht unbedingt immer dem Zeitgeschmack entsprechen, doch andienen will der Autor sich glücklicherweise nicht. Dazu kommt, dass er auch in seinem Heimatland nicht eben viel veröffentlicht hat, als letztes erschien im US-amerikanischen Liebhaberverlag Subterranean Press ein Band mit gesammelten Interviews mit Ligotti („Born to Fear“) sowie ein dünner Band mit neuen Erzählungen („The Spectral Link“).

Über die Jahre ist zu bemerken, dass der Autor immer dann von der Muse geküsst wird, wenn er selbst eine Krise durchgemacht hat. Sei es ein psychischer Kollaps oder eine ernsthafte Erkrankung, nach solchen einschneidenden Erlebnissen schuf Ligotti immer wieder beeindruckende Preziosen der besonderen Art.

Im vorliegenden Band, der inhaltlich der ultimativen Subterranean-Press-Ausgabe folgt, erwarten den Leser dreizehn Beispiele Ligotti’scher Fabulierkunst. Dabei sind Geschichten, die entfernt an Lovecrafts beste Storys erinnern, verstörende, merkwürdige und faszinierend andere Texte. Die Bandbreite des Gebotenen ist unheimlich weit, immer wieder erwarten ganz unterschiedliche Texte den Leser, findet man sich an gar seltsamen Orten wieder oder folgt geschundenen Figuren zu ihren Prüfungen.

Das ist anders als wir dies gewohnt sind, sehr abwechslungsreich, auch nicht immer ganz einfach zugänglich, aber in jedem Fall beeindruckend und so manches Mal bereichernd. Einmal mehr beweist Frank Festa, dass er ein Gespür für das Besondere hat, präsentiert uns herausragende Werke in gediegener Aufmachung – da kann sich so mancher große Verlag ein Beispiel daran nehmen.