Clive Barker: Das scharlachrote Evangelium (Buch)

Clive Barker
Das scharlachrote Evangelium
(The Scarlet Gospels)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Claudia Rapp
Titelillustration von Alejandro Colucci
Festa, 2015, Paperback, 460 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-379-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Das Leben schlägt oftmals Kapriolen. Immer dann, wenn man mein, in sein chaotisches Dasein so etwas wie ein wenig Konstanz hineingebracht zu haben, hält das Schicksal, Himmel oder Hölle eine Überraschung für uns bereit. So geht es auch Harry D’Amour, seines Zeichens Ex-Cop und jetzt Detektiv in Diensten der Geister. Mehrere hundert Dämonen hat er bereits gekillt, jetzt aber soll es ihm an den Kragen gehen.

Norma Paine, ein blindes Medium mit dem er schon seit Jahren zusammenarbeitet, ahnt nicht, dass sie ihren Partner in eine raffinierte Falle schickt, als sie ihn nach New Orleans entsendet. Hier soll er eigentlich nur das Haus eines jüngst Verstorbenen von dessen unanständigen Beweisen seines Doppellebens säubern, da tut sich ein Tor zur Hölle auf. Zunächst gelingt es Harry noch, der Gefangennahme zu entgehen, doch gerade zurück in New York angekommen, entführt der Höllenprinz Pinhead kurzerhand Norma um Harry zu zwingen, als sein Chronist in die Hölle zu eilen. Hier soll Harry bezeugen, wie der Höllenprinz nicht nur seine Konkurrenten ausschaltet, sondern auch die letzte Ruhestätte Luzifers schändet um sich zum neuen Herrscher über die gefallenen Reiche aufzuschwingen – mit recht markanten Folgen, wie sich zeigt…

Clive Barker dem Freund des Horrors vorzustellen, das hieße nun wirklich Eulen nach Athen tragen. Seitdem der Brite mit seinen „Büchern des Blutes“ auch bei uns die Bestsellerlisten erklomm, ist der kreative Kopf aus dem Genre nicht mehr wegzudenken. Zwischenzeitlich hat er sich als Produzent und Regisseur ebenso einen Namen gemacht, wie als Maler, hat neben Weird Fiction Fantasy und Jugendbücher geschrieben.

Mit vorliegendem Band, dem neuesten Roman aus der Barker’schen Werkstatt, kehrt er zu seinen Wurzeln zurück. Dabei kombiniert er zwei Figuren aus früheren Büchern/Filmen und erzählt mit und über diese seine ganz eigenen Geschichten der Hölle.

Blutig geht es zu, die Niederungen der Perversionen werden ebenso ausgekostet, wie wir einen sehr intimen Einblick in das Reich des gefallenen Engels bekommen. Dabei wird das Fegefeuer ganz anders beschrieben, als wir es gewohnt sind. Nicht etwa die Dante’schen Kreise der Hölle begegnen Harry und damit uns, stattdessen beschreibt uns Barker eine architektonisch herausragende Stadt auf acht Hügeln (Rom mit seinen sieben Hügeln steht hier Pate), eine Insel (Avalon lässt grüßen) mit einem riesigen Mausoleum, das eine Mischung aus einem klerikalen Dom und dem Turm zu Babel darstellt.

Barker hat mich nicht nur hier überrascht. Immer bewegt er sich abseits des Gewohnten, hält Unbekanntes und Neues für seine Leser bereit. Das fügt sich dann in Kombination mit den ambivalent beschriebenen Figuren zu einem Ritt durch die Hölle, der uns ein ganz anderes Bild des tiefen Reiches offeriert als erwartet, uns Dämonen der griesgrämigen Art präsentiert und mit zwei Protagonisten punktet, die jeder auf seine Art faszinieren.

So ist dies einmal mehr ein sehr visueller Roman, der sich bestens für eine Verfilmung eignen würde, der harte Horror-Szenen mit einfühlsamen Beschreibungen einer fremden Welt kombiniert und spannend unterhält.