Interviews
Im Gespräch mit: Thilo Corzilius
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- Kategorie: Interviews
- Veröffentlicht: Sonntag, 13. Februar 2011 13:31
Thilo Corzilius, 1986 in Dortmund geboren, studiert in Münster Evangelische Theologie. In seiner Freizeit geht häufig ins Kino, spielt in diversen Bands und reist leidenschaftlich gerne. Im Piper Verlag erschien in diesen Tagen sein Roman „Ravinia“. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat sich mit dem Autor über dessen Debütroman unterhalten.
Hallo Thilo. Könntest Du uns zu Beginn ein wenig von Dir erzählen?
Hallo. Über mich? Kurz und gut: Ich bin 24 Jahre alt, habe eine Vorliebe für das Tragen grauer Kapuzenpullover und für Regenwetter, studiere Evangelische Theologie und lebe in der wunderschönen Stadt Münster.
Wie bist Du zum Schreiben gekommen?
Ehrlich gestanden kann ich mich nicht an ein Schlüsselerlebnis oder einen genauen Zeitpunkt erinnern. Ich bin jemand, der pausenlos kreativen Output produziert und in dieser Hinsicht auch einfach nicht stillsitzen kann. So habe ich wohl immer schon irgendwo und irgendwie Texte produziert.
Was machst Du, wenn Du nicht vor der Tastatur sitzt – bleibt Dir Zeit für Hobbies?
Hauptsächlich studiere ich. Wenn man den Zeitaufwand dafür, plus die Zeiten des Geschichtenschreibens und die des Pflegens eines gesunden sozialen Umfeldes wegrechnet, bleibt tatsächlich nicht mehr allzuviel. Das größte Hobby nebenher ist sicherlich die Musik – ich hege eine große Liebe zu älterer und neuerer Rockmusik und horte CDs in meinen Regalen.
Das bringt mich zu der Frage, welche Autoren Du bewunderst, wer Dich inspiriert hat?
Ich bewundere im Grunde jeden Autor, der es schafft, mich mit seinem Werk zu fesseln. Wenn ich sie alle aufzählen sollte, liefe ich alleine im Genre der Phantastik Gefahr, etliche zu vergessen. Exemplarisch könnte ich vielleicht auf Cornelia Funke, Neil Gaiman oder Oliver Plaschka verweisen – aber es gibt einfach noch so viele, viele mehr...
Welche Bücher harren gerade darauf, dass Du Dir für sie Zeit nimmst?
Aktuell liegt „Der siebte Schwan“ von Lilach Mer auf meinem Nachttisch und wartet darauf, dass ich es endlich aufschlage.
An was arbeitest Du gerade?
Darüber verliere ich lieber noch keine Worte.
Wieviel von Dir selbst steckt in Deinen Personen? Wenn Du frei wählen könntest, mit welcher Gabe würdest Du gerne gesegnet sein?
Herzblut steckt natürlich in den Charakteren. Ich erschaffe so gut wie nie einen Charakter in einer Geschichte, der mir nichts bedeutet. Was die besonderen Gaben angeht, so genügt mir – wenn ich ehrlich bin – die Gabe des Geschichtenerzählens selbst eigentlich. Die eigene Geschichte zwischen zwei Buchdeckeln zu wissen und so die Möglichkeit zu haben, eventuell andere damit zu berühren und begeistern, ist in meinen Augen schon etwas ganz Besonderes. Doch gegen einen Zauberstab aus dem Harry-Potter-Universum hätte ich sicherlich nichts einzuwenden. Der könnte im Alltag ziemlich praktisch sein.
Benutzt Du reale Personen als Vorbilder für Deine Figuren?
Nein. Auf der einen Seite könnte und würde ich ihnen sicher nicht gerecht werden. Auf der anderen Seite würde mich das vielleicht auch in der Gestaltungsfreiheit meiner Charaktere einschränken.
Ravinia ist ein kein Abziehbild einer typischen Kleinstadt. Die Stadt am Rande von Nirgendwo verbindet den Flair eine scheinbar dörfliche Idylle mit einfachen Arbeitern, schwer schuftenden Bauern und den Begabten. Gab es ein Vorbild, hast Du selbst einmal in einer ähnlichen verwinkelten Stadt gelebt?
Nein, es gibt kein reales Vorbild für Ravinia. Der Ort ist eher ein romantisiertes Bild eines Städtchens in dem ich mich vielleicht selbst wohlfühlen könnte. Natürlich ist das rein Äußere durch ein Sammelsurium optischer Prägungen alter Städte und Stadtkerne geprägt. Interessant an Ravinia finde ich persönlich allerdings den Umstand, dass alles ja nur scheinbar idyllisch ist und auch nur scheinbar von seinem utopischen Konzept durchzogen wird. Unter der Oberfläche haben Bewohner dieselben Schwächen und tragen dieselben Konflikte aus wie überall sonst. Und gerade dadurch werden sie in meinen Augen einzigartig. Man liebt und hasst, neidet und gönnt, ist sich sympathisch oder nicht, lädt ein oder schließt aus.
Warum hast Du Deine (Real-)Handlung in Schottland angesiedelt und nicht zum Beispiel in Mainz oder Heidelberg? Was verbindet Dich mit Schottland?
Der Grund ist recht einfach: Ich finde den Klang britischer Namen schön. Schottland ist darüber hinaus ein wunderbares Land, in welches ich unglaublich gerne reise und Zeit dort verbringe. Und Edinburgh ist eine der schönsten Städte, die ich kenne.
Nun ist Dein Roman nicht unbedingt typische Questen-Fantasy. Ich wurde bei der Lektüre ein wenig an Werke aus der Feder eines Ralf Isau, Christoph Marzi oder Michael Ende erinnert. Wie siehst Du das, sind das Vorbilder, und wenn ja in welcher Richtung?
Ich muss gestehen, dass ich nur sehr selten klassische Fantasy lese, sondern mich immer gerne auf die Suche nach Werken begebe, deren phantastische Elemente ein wenig alternativ angesiedelt sind. Ich habe natürlich alle drei genannten Autoren gelesen und fand viele ihrer Geschichten wunderschön, eben weil sie versuchen, die klassischen Muster ein wenig zu verändern, weil sie variieren, ihre Geschichten wie Märchen in das Hier und Jetzt einweben und damit trotzdem ganze Universen erschaffen. Dass diese Leseerfahrungen ganz sicher in meine Texte reinspielen, kann und brauche ich auch gar nicht zu leugnen. Mein eigener Anspruch an meine Geschichten klingt dabei eigentlich einfach (und ist es doch häufig gar nicht): Ich versuche das zu schreiben, was ich auch selbst gerne von anderen lesen würde.
Gibt es für derartig leisere Töne einen Markt? Wie siehst Du als neuer Autor das?
Da bin ich ein wenig überfragt, offengestanden. Aber ich hoffe es natürlich sehr. Es wäre schön, denn ich finde genau diese „leiseren Töne“ oft ganz zauberhaft und würde mich freuen, in Zukunft noch viel mehr als ohnehin schon in dieser Richtung entdecken und lesen zu dürfen.
Ich hatte auch ein bisschen den Eindruck, dass Du Dich andeutungsweise immer wieder einmal vor den Märchen verbeugt hast – stimmt das?
Selbstverständlich. Es gibt in vielen, vielen Sätzen und Abschnitten heimliche Verbeugungen vor Märchen, Sagen und Legenden oder einfach nur vor Werken anderer Autoren, die ich sehr schätze.
Hattest Du, als Du „Ravinia“ geschrieben hast, schon einen Verlag für das Werk? War es schwierig, einen Verlag für Dein Buch zu begeistern?
Nein, hatte ich nicht. Ich habe die Geschichte in erster Linie aus Freude daran geschrieben. Schließlich habe ich das Manuskript aber einer Agentur angeboten, die mich relativ zügig in ihr Portfolio aufnahm und ihrerseits dann Verlagssuche und Vertragsverhandlungen übernommen hat.
Warum hat es so lange gedauert, bis ein Verlag anbiss?
Hat es das? Zwischen der ersten Manuskriptfassung und dem Vertragsabschluss lag ein halbes Jahr – Das empfand ich persönlich nicht als lang, ganz im Gegenteil.
Hast Du beim Schreiben des ersten Bandes Dir die Möglichkeit einer Fortsetzung vorstellen können?
Ja – Die Welt, die ich um Ravinia herum entworfen habe ist ziemlich komplex und es gibt genug Fäden, die man wieder aufgreifen könnte. „Ravinia“ selbst funktioniert aber ganz gut als Stand-Alone.
Wann und wo schreibst Du? Zu Hause, oder hast Du ein ruhiges Plätzchen, wo Du Dich ganz auf Deine Muse konzentrieren kannst?
Viel Text entsteht natürlich am heimischen Schreibtisch, aber generell bin ich nicht sehr anspruchsvoll, was die Umgebung angeht, in der ich schreibe. Früh morgens und spät in der Nacht bin ich am produktivsten. Doch das ergänzt sich oft nicht sehr gut.
Wie lang dauert es von den ersten Notizen, bis ein Buch fertig ist?
Im Falle von „Ravinia“ waren es ziemlich genau neun Monate.
Wie sieht denn ein typischer Tag im Leben des Autors Thilo Corzilius aus?
Das ist recht unterschiedlich. Häufig stehe ich jedoch relativ früh auf (um sechs oder sieben), um vor der Uni noch etwas schreiben zu können. Hat man sich erst einen ganzen Tag lang auf andere Texte und Inhalte konzentriert, fällt es abends häufig relativ schwer, sich noch einmal aufzuraffen, ein paar Seiten zu Papier zu bringen. Der Abend gehört dann entweder guten Freunden, oft auch einem guten Buch. Auf jeden Fall aber guter Musik.
Ich habe gehört, dass sich die Handlung manchmal verselbständigt, dass der Autor von seinem Plot regelrecht mitgerissen wird – wie sieht das bei Dir aus?
Das kann vorkommen, zumal ich persönlich nicht besonders ausführlich plotte, sondern eher neben dem Schreiben haufenweise Notizen mache, um mich nicht in der Geschichte zu verheddern. Grundsätzlich weiß ich aber doch wo alles anfängt und endet.
Vielen Dank, dass Du Dir für uns Zeit genommen hast. Wir wünschen Dir für die Zukunft alles Gute!
Ich habe zu danken.