Cole Roberts: Huren auf Wanderschaft (Buch)

Cole Roberts
Huren auf Wanderschaft
Blue Panther Books, 2022, Taschenbuch, 220 Seiten, 14,90 EUR

Rezension von Irene Salzmann

Über Cole Roberts erfährt man, dass er gebürtiger Schotte, Jahrgang 1962, ist. Nach der Publikation diverser Fachbücher im Rahmen von Studium und Beruf begann er mit dem Schreiben erotischer Romane. Einer der Titel, die bei Blue Panther Books erschienen sind, ist „Huren auf Wanderschaft“ und entführt den Leser in ein fiktives europäisches Mittelalter zur Zeit der Hexenverfolgung (ca. 1300 bis 1750). Die Gestaltung der Kulisse erinnert an den sogenannten ‚Flickenteppich‘ der deutschen Fürstentümer, die das Heilige Römische Reich Deutscher Nation (offizielle Auflösung 1806) bildeten. Die Namen der Ortschaften und Protagonisten hält der Autor relativ neutral, sodass die Geschichte überall in Europa spielen könnte, sei es in Großbritannien, Italien, Deutschland oder wo auch immer.

 

Vier „Huren auf Wanderschaft“ ziehen mit ihrem Ochsenkarren von Ort zu Ort und verweilen vorzugsweise dort, wo es keine Bordelle und daher viel Kundschaft gibt, die ihre Dienste schätzt. Zufälligerweise werden im lokalen Gefängnis stets als Hexen beschuldigte Frauen gefoltert, die wie durch ein Wunder dem sicheren Tod entrinnen können. Die Obrigkeit steht vor einem Rätsel, denn von den Flüchtigen fehlt jegliche Spur.

Doch die Gefahr für die Hexen und ihre Befreierinnen wächst von Mal zu Mal, weil sich die Vorkommnisse herumsprechen und die Verließe besser bewacht werden. Infolgedessen fordern die Bemühungen der Huren erste Opfer und führen die Häscher zum Versteck der mutigen Frauen. Allerdings strecken diese trotz einer Übermacht an Soldaten nicht die Waffen und vertreiben die Angreifer. Nun schaltet sich König Rowan ein, der im Ruf steht, ein gerechter Herrscher und keine Marionette der Inquisition zu sein. Er ist die letzte Hoffnung aller zu Unrecht Beschuldigten.


Erfahrene Leser erraten sehr schnell, was los ist. Ohne zu viel preisgeben zu wollen: Cole Roberts bestätigt selbst durch eine bestimmte Figur, woher seine Inspiration, die wehrhaften ‚Huren‘ betreffend, stammt. Man erfährt zwar nichts Näheres darüber, wie und warum jener deus ex machina nach Europa gelangte, doch ist auch das für diese Zeit charakteristische Versteck für ihn vertrautes Terrain. Dass die Soldaten besiegt werden, ist in erster Linie seinen Kampfkünsten zu verdanken.

Die Motivation der Charaktere beruht auf persönlichen Erfahrungen mit der Inquisition, deren Abgesandte unschuldige Frauen und Männer als Hexen bezichtigen, um sie aus unterschiedlichen Gründen erst in die Folterkammer und dann in den Tod zu befördern: Wer besonders hübsch oder unansehnlich ist, über medizinisches Wissen verfügt, jemandem im Weg ist oder die Begierde eines Mitglieds der Obrigkeit erregt, muss damit rechnen, ein Opfer der Inquisition zu werden. Die „Huren auf Wanderschaft“ betrachten sich als kleines Korrektiv und setzen ihr eigenes Leben aufs Spiel, wie man es einst für sie tat, um andere zu retten.

In diese Handlung eingebettet sind die Einzelschicksale von beispielsweise Brunhilde, die einen guten Mann kennenlernt, dem es egal ist, auf welche Weise sie um ihr Überleben kämpft. Oder von der Hexe Maria, die plötzlich hoffen darf, mit ihrer großen Liebe ein neues Leben zu beginnen. Oder von der Kämpferin Maria, die sich nichts aus Männern macht und ihre Gefühle erwidert sieht von jemandem, den sie unerreichbar glaubte. Nebenbei: Obwohl von unschuldigen Hexen und Hexern die Rede ist, gerettet werden ausschließlich Frauen…

Man merkt sehr wohl, dass es sich bei Cole Roberts um einen Autor handelt, da er mehr Wert auf eine das ganze Buch durchziehende Handlung legt, in die für die Frauen zwar mehr oder minder angenehme erotische Szenen eingepflegt wurden, doch fehlt die für Autorinnen typische ausführliche, oft überbordende emotionale Reflexion. Freilich empfinden die Protagonistinnen manches Beisammensein als schön, akzeptieren es als der Sache dienlich oder ekeln sich und schlimmer, aber die Beschreibungen bleiben recht nüchtern und berühren nicht wirklich.

Die Bandbreite der geschilderten diesbezüglichen Momente reicht von Lesben-Sex über Vanilla bis hin zu BDSM. Die Obrigkeit erweist sich in vielen Fällen als brutal und pervers und missbraucht ihre Macht über die einfachen Menschen, insbesondere über Personen ohne Bürgerrechte und Angeklagte. Obschon diese Passagen keinen kleinen Raum einnehmen, hat man - anders als bei der Mehrheit der gängigen Erotik-Romanen, in denen ein dünnes Handlungsgerüst allein der Verknüpfung möglichst vieler Sex-Szenen dient - nicht den Eindruck, dass es eigentlich nur darum geht.

Die Story um die „Huren auf Wanderschaft“ mag zwar etwas zu schön, um wahr zu sein, erscheinen und eine kleine Hommage an Wuxia-Romane darstellen, aber es ist eine Story, die für sich stehen kann, die sich interessant und spannend liest und diesen Erotik-Titel aus dem Einerlei heraushebt.