Guido Krain: Die Schwarze Victoria (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 12. Oktober 2014 09:08
Guido Krain
Die Schwarze Victoria
Bookshouse, 2014, Taschenbuch, 392 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-9963-52-501-0 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Willkommen auf Feylon, einer Welt, die sich ein ganz klein wenig… nein, bleiben wir ehrlich: doch eigentlich ganz ordentlich… von unserer unterscheidet. Dank dem Umstand, dass sich die Aggregatzustandsänderung zwischen flüssig und gasförmig rasant vollzieht, gibt es kaum Dampfmaschinen, keinen Dieselmotor und keine Elektrizität. Als Antriebsstoff der – wenigen – Maschinen dient das aus Nyrium fließende Ta.
Kleiner Anlass, große Wirkung – Sie kennen das ja. Die naturwissenschaftlichen Unterschiede führten dazu, dass größere Landmassen zerrissen wurden, die zwei großen Reiche der bekannten Welt sich als Massierung von Inseln anbieten.
Das Kionische Reich, das ein wenig an das viktorianische England erinnert, erholt sich langsam vom verlustreichen Krieg gegen die Asgorianer. Und genau da kommen wir ins Spiel.
Gestatten, dass wir, na ja besser gesagt ich, mich vorstelle? Sir Arthur mein Name und als Abenteurer bekannt. Zusammen mit meinen Gefährten – wir haben uns selbst den wohlklingenden Namen Society of Childlike Curiosity verpasst – unternehmen wir mit meinem revolutionären Luftschiff, der „Schwarzen Victoria“, Forschungsreisen in alle Herren Länder. Mit an Bord natürlich meine umwerfende Butlerin Io, eine Statue meiner Göttin Victoria in unzüchtig entkleidetem Zustand, sowie Kekse, Tee und bester gealterter Whiskey.
Eines Tages ereilt mich der Hilferuf eines Verwandten, der in der Wildnis auf Schatzsuche, wie kann es auch anders sein, verschollen ist. Doch schon auf dem Weg ins unwirtliche Unbekannte zeigt sich, dass die Rettungsmission so einfach nicht ablaufen will.
In Asgoria will man uns festsetzen um die wissenschaftlichen Geheimnisse meines Luftschiffs zu erforschen. Gewaltverbrechen, Anschläge und Verräter pflastern unseren Weg – der uns letztlich zu einem Volk führt, das so anders, so mächtig und unbekannt ist, dass ich es kaum zu beschreiben wage…
Lassen Sie mich vorab beichten, dass ich ein glühender Anhänger der literarisch-phantastischen Subgattung des Steampunks bin. Das Spiel, „Was wäre wenn“ in der oft anheimelnden Atmosphäre einer lang vergangenen, beschaulichen Zeit, kombiniert mit absonderlichen Erfindungen, fasziniert mich als Leser.
Leider ist der Hype im und am deutschen Buchmarkt relativ unbeachtet vorbeigegangen, so dass sich die entsprechenden Publikationen, nachdem sich die großen Publikumsverlage angesichts eher mauer Verkaufszahlen schnell wieder abwandten, an einer Hand abzählen lassen. Einmal mehr springen hier die Kleinverlage in die Bresche und publizieren in ihren Reihen entsprechendes Lesefutter für die Fans.
Der Verlag bookshouse war mir persönlich bis dato unbekannt. Das Impressum weist aus, dass der Verlag seinen Sitz auf Zypern hat, das Buch selbst präsentiert sich als normales Taschenbuch, sorgfältig redigiert und lektoriert.
Der Autor Guido Krain ist dagegen wahrlich kein Unbekannter. Seit er vor mehr als 10 Jahren mit einem High-Fantasy-Roman „Elfenmond“ debütierte, stieß ich in Anthologien wie auch in Romanen immer wieder auf den Verfasser, weiß, dass er meine Liebe für den Steampunk teilt; sein Beitrag „Argentum Noctis“ zu der im Fabylon Verlag erscheinenden Steampunk-Reihe sei hier exemplarisch erwähnt.
Vorliegend wendet er sich einer neu gestalteten Welt zu, die in ihrer Ausbildung ungewöhnlich anders ist. Und genau hier beginnt sich vorliegendes Werk von dem sonst Gewohnten abzugrenzen. Krains Schauplatz Feylon unterscheidet sich markant vom „üblichen“ viktorianischen Setting. Zwar erinnern die gesellschaftlichen Schichten – hier die Adeligen, dort die Diener – an Bekanntes, aber schon die Zeichnung der markanten Figuren, die Ausgestaltung der erotischen gleichgeschlechtlichen Neigungen und die Unkompliziertheit, mit der die Handelnden miteinander umgehen, weisen Unterschiede zu den Vorbildern auf.
Noch deutlicher wird dies dann bei der Zeichnung der Asgorianer. Hier begegnet uns eine feudale Gesellschaft, die ganz auf das Militär und Kampf ausgerichtet ist. Der übersteigerte Ehrbegriff beherrscht hier alles, die verkarsteten Strukturen gehen einher mit der Unterdrückung von Minderheiten, Frauen und den unteren Schichten. Das erinnert an fernöstliche oder Preußische Anklänge, steht aber dann doch ganz eigenständig.
Verbunden hat der Autor diese faszinierende Kulisse mit einer in zwei Erzählsträngen verlaufenden Handlung. Zum einen begleiten wir die „Schwarze Victoria“ auf ihrer Expedition – eine Geschichte die Anklänge an bestes Abenteuergarn bietet. In den eingeschobenen Kapiteln begegnen wir dem jungen Sir Arthur, erleben mit, wie er die Konstruktionspläne und Erfindungen, die erst den Bau des Schiffes ermöglichen, entdeckt.
So mischt sich das Bild einer im wahrsten Sinne phantastischen Welt mit einem klassischen Abenteuer-Plot der den Leser in unbekannte Gefilde entführt und die Möglichkeit einer Fortsetzung offen lässt.