Sabine Thiesler: Versunken (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 23. September 2014 15:21

Sabine Thiesler
Versunken
Heyne, 2014, Hardcover, 496 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-453-26807-4 (auch als eBook erhältlich)
Von Irene Salzmann
Das gutsituierte Ehepaar Werner und Vivian Faenzi plant, die Sommerwochen auf seiner Yacht im Mittelmeer zu verbringen. Leider nur muss Vivian den Urlaub für zehn Tage unterbrechen, da sie vor der Aufführung der „Carmen“ an der Opéra de Nice als Bühnenbildnerin letzte Hand anlegen soll. Da sie ehrgeizig ist und ihren Beruf liebt, will sie die Arbeit keinem anderen überlassen.Zwar kann sich Werner ganz gut die Zeit allein vertreiben, denn das Boot ist praktisch sein Leben, doch wegen der Gefahren auf dem Meer ist er nur ungern allein unterwegs. Darum tut er sich mit dem Zufallsbekannten Malte zusammen, nicht ahnend, dass dieser nach Jahren des persönlichen Unglücks seine Chance gekommen sieht, endlich neu anfangen zu können – mit der Yacht und dem Vermögen des Paares sowie Werners Identität…
Man darf es ruhig vorwegnehmen: Dieses Buch ist abgrundtief böse! Man erwartet von Sabine Thiesler nach Lektüre des Klappentextes einen typischen Krimi, indem sich ein argloses Ehepaar einen Mörder an Bord holt, der den beiden im Kampf ums Überleben alles abverlangt und am Ende die gerechte Strafe erhält. Aber weit gefehlt!
Zunächst baut die Autorin zwischen dem Leser und den Protagonisten eine Beziehung auf, sodass dieser Anteil an deren Leben hat und Sympathien entwickelt, etwas, das immer ganz gern in spannungsgeladenen Romanen gemacht wird, bei denen unschuldige Opfer auf der Strecke bleiben, um die Skrupellosigkeit des Verbrechers zu unterstreichen. Infolgedessen sorgt man sich schon bald um die Faenzis, die Tramperinnen Hannah und Leonie und um die Carabinieri Manuela Sentini und Donato Neri, die den Plänen des Mörders mehr oder weniger in die Quere kommen.
Sogar dem Seemann Malte verleiht sie einen Hintergrund, der dazu beitragen soll, dass man seine Beweggründe versteht: Nachdem seine beschauliche Kindheit durch den frühen Tod der Eltern ein jähes Ende nahm und er der Obhut seiner Tante Greta überantwortet wurde, die ihn dafür hasste, dass sie ihr Leben seinetwegen total umzukrempeln hatte, musste er endlose Quälereien über sich ergehen lassen. Letztlich verspielt er jedoch jeglichen Funken Mitgefühl, in em er sich für alles Unrecht und auch für Missverständnisse auf brutalste Weise rächt und er mit keinem seiner Opfer Mitleid empfindet, wodurch er sich als gefährlicher Psychopath zu erkennen gibt.
Nachdem Malte lange auf der Verliererstraße wandelte, lacht ihn plötzlich das Glück an; es droht, ihm wieder zu entgleiten, aber indem er Verzicht übt, gewinnt er schließlich doch und kommt, wie so mancher Verbrecher im realen Leben, ungeschoren davon. Das ist bitter, vor allem für den Leser, der irgendwie die ganze Zeit auf wenigstens ein kleines Happy End und Gerechtigkeit gehofft hat.
In dieser Hinsicht bedient Sabine Thiesler in ihrem flüssigen, unterhaltsamen Stil keine Klischees, vielmehr gibt sie sich gegenüber dem Publikum so gnadenlos wie der Mörder – und das macht den Thriller derart böse, dass man ihn noch lange Zeit erschüttert im Gedächtnis behält. Es ist wie eine Warnung, auch im ‚richtigen Leben‘ nicht zu vertrauensselig zu sein.