Joe R. Lansdale: Das Dickicht (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 30. August 2014 11:08
Joe R. Lansdale
Das Dickicht
(The Thicket)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Hannes Riffel
Titelillustration von Carlos Restrepo
Tropen, 2014, Hardcover, 332 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-608-50135-3 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Willkommen im Wilden Westen. Aber vergessen Sie besser ganz schnell alles, was Sie meinten, über Texas zur Zeit des vorletzten Jahrhunderts zu wissen. Ja, es gab Sheriffs und Banditen, Sklaven und Gunslinger, doch mit der weichgespülten Hollywood Version à la „Bonanza“ hat Lansdales Roman wenig, nein eigentlich nichts zu tun.
Erzählt wird die Geschichte des 16jährigen Jack. Als die Pocken seine Eltern in ein zu frühes Grab senden, soll er zusammen mit seiner zwei Jahre jüngeren Schwester zu seiner Tante. Dumm, dass sie schon auf dem Weg in Richtung Feuerross, um im Jargon zu bleiben, mit einer skrupellosen Bande aneinandergeraten. Der Großvater wird erschossen, die Schwester als Liebesdienerin entführt, Jack selbst sollte eigentlich im Fluss ertrinken. Als er am Flussufer wieder zu sich kommt, macht er sich auf, Hilfe zu suchen, um Rache zu üben. Eigentlich will er die Schuldigen nur dem Friedensrichter übergeben, doch dann tut er sich mit einem schießwütigen, etwas abgedrehten Liliputaner, dem Sohn einer schwarzen Sklavin mit großem Schießprügel und einem wilden Eber zusammen, verliebt sich unsterblich in eine Hure und … na, lesen Sie doch selbst.
Lansdale ist ein Phänomen. Zu Beginn seiner Karriere startete er als Horror-Autor, dann wechselte er ins Krimi-Genre und jetzt legt der Tropen-Verlag das zweite Buch von ihm vor, das uns als gelungene und überaus unterhaltsame Mixtur aus Western und Abenteuer-Roman im Stil eines Mark Twain daherkommt.
In der sehr angenehm zu lesenden Übersetzung von Hannes Riffel nimmt der Autor, wie wir dies von ihm gewohnt sind, kein Blatt vor den Mund. Dabei nimmt er uns einmal mehr über den Ich-Erzähler für den Plot ein.
Jack, so unbedarft, naiv, fast schon unschuldig er zu Beginn wirkt, ist ein ideales Vehikel, um die Handlung zu schildern. Gerne und ausgiebig spielt Lansdale dabei dann mit bekannten Motiven entsprechender Vorbilder, setzt aber immer wieder noch einen drauf, zeigt uns die Wirklichkeit hinter der Kulisse, ohne dass er darüber seine spannende Geschichte vergessen würde.
Gerade die ungekünstelte, so Manches mal sehr direkte Ausdrucksweise der Personen, dann aber wieder die ab und an durchscheinende puritanische Einstellung der Menschen, wirken dabei für den Leser zum einen entlarvend, zum anderen durchaus humorvoll. Zwar hat der Plot eine innere Dramatik, die ernst zu nehmen ist, immerhin geht es um Kapitalverbrechen wie Banküberfall, Mord, Entführung und Vergewaltigung, wirkt aber wegen der beschrieben skurrilen Figuren und ihren Handlungen auch anregend fürs Zwerchfell.
Unauffällig hat der Autor in seine Handlung durchaus ernst zu nehmenden Überlegungen eingewoben. Jack macht sich immer wieder Gedanken über Schuld und Sühne, über die Zulässigkeit, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen, und zur Religion. Unprätentiös wird hier über die Existenz von Gott, die Zulässigkeit und Verarbeitung von Gewalt, von Abhängigkeit und der Rolle der Frau diskutiert und nachgedacht, so dass der Leser neben der packenden Handlung auch so manche Anregung zum Mit- und Weiterdenken an die Hand gegeben bekommt.
So ist dies auch, fast bin ich geneigt zu sagen: hauptsächlich, ein Buch über das Leben, über Liebe und Lust, Verlust, Schmerz und Tod, Vertrauen und Freundschaft; ein Roman, der anregt weiter zu denken und der unterhält – einfach ein klasse Buch!