Craig DiLouie: Mit Zähnen und Klauen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 30. August 2014 10:56
Craig DiLouie
Mit Zähnen und Klauen
(Tooth and Nail)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Andreas Schiffmann
Titelillustration von Timo Kümmel
Luzifer, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 400 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-943408-23-2
Von Carsten Kuhr
Die größte Nation auf Gottes Erden hat ihre Truppe, immerhin gut 120.000 kämpfende Männer und Frauen, auf der ganzen Erde verteilt stationiert. Das heißt, eigentlich müsste ich korrekterweise die Vergangenheitsform wählen. Seitdem der Virus Hongkong Lissa auch vor den Grenzen der USA nicht haltmacht, wurden die Streitkräfte, ja alle Truppen, zurückbeordert. Nicht länger sollen die GIs Weltpolizist spielen, jetzt geht es darum, in der Heimat die öffentliche Ordnung aufrecht zu halten.
Lieutnant Todd Bowman und seine Männer vom zweiten Platoon der Charlie Companie werden nach New York versetzt, um für die Sicherheit eines Krankenhauses zu sorgen. Zunächst sieht auch noch alles nach Routine aus, statt Selbstmordattentäter im Irak haben sie es mit hilfesuchenden Kranken des Big Apple zu tun, es geht darum, die Simulanten von den Infizierten zu trennen und dafür zu sorgen, dass das medizinische Personal ungestört seiner Arbeit nachgehen kann.
Zu Beginn kommt das Fieber, dann der Schüttelfrost, Erbrechen – und dann der Hunger. Denn das Virus greift pandemisch um sich, die Zahl der Infizierten steigt rapide und diese verlieren jegliche Kontrolle. Tollwütig, bestialisch und hungrig gehen die Infizierten auf die Suche nach... Fleisch.
Unsere wackeren Soldaten, einst voller Sendungsbewusstsein und Überzeugung die Sicherheit ihrer Heimat im Nahen Osten verteidigen zu dürfen, verlieren nur zu bald ihre Contenance. Ihre einstmals selbstbewusst blitzenden Augen verlieren ihren Glanz, das Elend, die eigene Heimat zusammenbrechen zu sehen, setzt ihnen sichtlich zu. Mehr noch, steht zu Anfang noch die moralische Zulässigkeit, auf Landleute zu schießen, im Mittelpunkt, so verlieren sie ihren inneren Kompass genauso schnell wie ihre Hemmungen und das Vertrauen in ihre Führung…
DiLouie hat das sehr geschickt gemacht. Er vermeidet das stereotypische Zombie-Motiv, indem er seine Aggressoren als Opfer eines Virus’ darstellt und diese lediglich als – bestialische – Bedrohung der Protagonisten nutzt.
Sehr realistisch und gut nachvollziehbar erleben wir in der Folgezeit mit, wie aus jungen Männern der Armee, die zumeist aus ländlichen Gegenden kommen und die an ihr Sendungsbewusstsein glauben, Getriebene werden, die den Glauben an sich, an Staat und Gott schnell verlieren.
Auch wenn der Autor in einem Neben-Plot auf nach einem Heilmittel forschende Wissenschaftler eingeht, die von Hilfesuchenden gefangengesetzt und bedroht werden, liegt der Schwerpunkt doch eindeutig auf dem Platoon. Hier zeigt er minutiös die Entwicklung der Helden in Uniform auf, weg von dem Sendungsbewusstsein hin zur Verzweiflung. Gerade diese Entwicklung wird für den Rezipienten sehr gut nachvollziehbar aufbereitet, man kann verstehen, wie hier das einst so unerschütterlich an das geglaubte Gute, für das sie stehen, verloren geht.
So bietet sich der Roman als letztlich gelungene Mischung als Military-Roman mit Zombie-ähnlichen Bedrohungen durch die Erkrankten an, die dem Autor nicht nur die Möglichkeit eröffnen, den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung darzustellen und im wahrsten Sinne des Wortes in Blut zu baden, sondern auch die Entwicklung der Soldaten, ihre zunehmende innere Verzweiflung eindrucksvoll zu porträtieren.