Richardson, Kat: Underground – Harper Blaine 3 (Buch)

Kat Richardson
Underground
Harper Blaine 3
(Underground)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Franzsika Heel
Titelillustration von Animagic
Heyne, 2009, Taschenbuch, 478 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-453-53315-8

Von Carsten Kuhr

Seattle, Washington. Seitdem die Privatdetektivin Harper Blaine für einige Minuten tot war und wieder zum Leben erweckt wurde, hat sich nicht nur ihr Weltbild, sondern auch ihre Klientel geändert. Waren bis zu ihrem kurzzeitigen Ableben scheidungswillige Eheleute oder misstrauische Arbeitgeber ihre Kunden, so klopfen seitdem Vampire, Gespenster und andere Gestalten aus dem Grau an ihre Bürotür. Dass bei derartiger Kundschaft ihr Privatleben leidet ist nachvollziehbar. So ist sie zwar in ihrer Arbeit erfolgreicher denn je, doch muss diesen Karrieresprung teuer bezahlen.

Es ist Winter in Seattle. Der strengste, kälteste Winter, an den man sich erinnern kann. Heizungen fallen aus, die Elektrizität ist nur zeitweilig vorhanden und, wie üblich trifft es die am härtesten, die schon lange durchs weit gestrickte soziale Netz gefallen sind. Unter den Obdachlosen der Stadt aber findet nicht nur Väterchen Frost, sondern auch eine dunkle Bedrohung ihre Opfer. Abschaum, wie man sie unter der Hand nennt, Nichtsesshafte, wie sie im offiziellen Jargon heißen, werden tot aufgefunden. Ihnen fehlt Blut, Gliedmaßen sind abgerissen, der Korpus angenagt. Harper begibt sich auf die Spur, die sie nicht nur in die vergessenen und stillgelegten Gänge unterhalb Seattles führt, sondern sie auch mit einem uralten indianischen Mythos konfrontiert – der dreiköpfigen Schlange Sisiutl …

Kat Richardsons Urban-Fantasy-Mythos um die Privatdetektivin Harper Blaine unterscheidet sich ein wenig vom dem gewohnten Bild, das uns derartigen Serien üblicherweise präsentieren. Nicht etwa ihre zärtliche Verbandelung mit einem der Vampire oder Werwesen wird thematisiert, ganz im Gegenteil lässt die Autorin ihren übernatürlichen Wesen ihren Nimbus aus Bedrohung und Aggressivität. So ist unsere Ich-Erzählerin immer bemüht, Begegnungen mit den Wesen aus dem Wege zu gehen, steht diesen eher reserviert und vorsichtig gegenüber.

Dieses Mal nun begibt sie sich in einen gesellschaftlichen Bereich, der gemeinhin ausgeklammert wird. Die Nichtsesshaften, Pennbrüder und Bettler haben, machen wir uns hier nichts vor, wenig bis gar keine Fürsprecher in unserer Leistungsgesellschaft. Einige wenige karitative Einrichtungen bemühen sich, das größte Leid ein wenig zu lindern, ansonsten überlässt man diese Menschen der Flasche. Selbst Verbrechen, die an den Clochards verübt werden, interessieren die Polizei wenig.

Die Autorin stellt uns diese unbekannte Welt ohne falsche Sentimentalität vor. Nüchtern, dabei aber nicht ohne Sympathie für die abgerutschten Existenzen, zeigt sie uns das Elend, die Trostlosigkeit und innere Verzweiflung, die direkt zu der Flucht in Drogen aller Art führen.
Geschickt nutzt sie dabei die faszinierende Welt der vergessenen Gänge unterhalb ihrer Heimatstadt, deren Straßen aufgrund des unsicheren Baugrundes zur Jahrhundertwende um gute neun Meter angehoben wurde. Die vergessene Welt unterhalb der geschäftigen Einkaufs- und Vergnügungsmeilen bietet mit seiner verflossenen Pracht den idealen Rahmen für ihre Geschichte über die Heimsuchung durch einen alten indianischen Mythos.
Das wirkt zwar in seiner Ausgestaltung so manches Mal ein wenig arg weit hergeholt, bietet aber gleichzeitig einen gewissen Einblick in die Mythen der amerikanischen Ureinwohner.

Das Pfund, mit dem Richardson wuchert sind sicherlich der Handlungsort und die Figuren. Der Plot selbst wirkt, auch weil sie noch eine meines Erachtens unnötige Agentengeschichte der NSA beimischt, ein wenig überfrachtet.
Im großen Urban-Fantasy-Kanon aber wirkt dieser Roman, wie die ganze Serie, erfrischend unromantisch, punktet mit einer glaubwürdigen Erzählerin, die nur zu oft teuer für ihre Abenteuer bezahlen muss.