Black Orchid (Comic)

Black Orchid
(Black Orchid 1 – 3)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Autor: Neil Gaiman
Titelillustration und Zeichnungen von Dave McKean
Panini, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 164 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86607-788-1

Von Irene Salzmann

Die Superheldin Black Orchid debütierte bereits 1973 in der Reihe »Adventure Comics«. Sie verfügte über erstaunliche Fähigkeiten, die denen Supermans ähnelten, agierte aber vorzugsweise in Verkleidung und als Detektivin wie Batman. Nach dem Auftaktband trat sie nur noch sporadisch als Nebenfigur in verschiedenen Serien auf, darunter »Phantom Stranger« und »Crisis of Infinite Earths«.
1988 nahm sich Neil Gaiman dieses Charakters an, modifizierte seine Geschichte und schuf zusammen mit Dave McKean eine dreiteilige Mini-Serie, die nun als aufwendig gestalteter Sammelband bei Panini erschienen ist.
Dem folgten eine »Black Orchid«-Reihe in den 1990er Jahren, die es auf 22 Bände brachte, und einige weitere Auftritte in anderen Titeln, wobei sich die Autoren hier der von Neil Gaiman geschaffenen Figuren bedienten.

Susan Linden-Thorne ist die Superheldin Black Orchid. Bei laufenden Ermittlungen fliegt ihre Identität auf, und die junge Frau wird von den Gangstern ermordet. Kurz darauf ist sie zurück, doch nahezu alle Erinnerungen fehlen ihr. Als der Wissenschaftler, der ihr mehr erzählen kann, getötet wird, beginnt für sie eine wahre Schnitzeljagd: Wer und was ist sie wirklich?
Die Spuren führen sie zu Personen, die in ihrem eigenen Albtraum gefangen sind und ihr keine Antworten geben können oder wollen. Als sie ihrer Bestimmung folgen und sich mit ihrer Schwester zurückziehen will, scheint es zu spät zu sein, denn ein mächtiger Verbrecher hat von ihnen erfahren und will sich ihre Kräfte zunutze machen …

Wie so oft bricht Neil Gaiman mit den Traditionen eines Genres: Über Jahrzehnte hinweg durfte ein Held nicht sterben oder kam auf wundersame Weise wieder. Das änderte sich, als ein neuer Realismus in die spannend-phantastischen oder slapstickhaften Superhelden-Comics Einzug hielt, die Charaktere differenzierter mit Stärken und Schwächen beschrieben wurden und sie zunehmend die zerrissenen Züge ihrer Gegenspieler annahmen.
Neil Gaiman geht noch einen Schritt weiter, indem er die Grenzen zwischen Realität und Albtraum, Gut und Böse, selbst die konkrete Persönlichkeit und Vergangenheit einer Figur gänzlich auflöst. Statt sich zu retten oder gerettet zu werden, findet Black Orchid trotz ihrer speziellen Talente den Tod, und damit beginnt der Rückblick auf eine Tragödie von ungeahntem Ausmaß. Auch wenn man früh einige Ahnungen hat, ist doch nichts so, wie es sein sollte.
Während die neue Black Orchid das Geheimnis um ihre Herkunft und ihre Bestimmung zu lüften versucht, ohne sich in den omnipräsenten Strudel der Gewalt hinein ziehen zu lassen, trifft sie auf so manchen namhaften Charakter des DC-Universums: Batman, Lex Luthor, Poson Ivy, Swamp Thing usw. Es spielt keine Rolle, ob man mit diesen Figuren und ihrem Hintergrund vertraut ist, denn die Geschichte hätte auch mit No-Names funktioniert. Das Auftreten von Helden und Bösewichtern ist eine Hommage an diese und an ihre Schöpfer, schlägt eine Brücke zwischen Tradition und Innovation und sorgt für einen Aha-Effekt bei den treuen Fans. Das Ende der Trilogie ist so ungewöhnlich wie die Darstellungsweise der Protagonisten. Es überrascht durch seine Versöhnlichkeit und den Funke Hoffnung.
Das bizarre, dramatische Albtraum-Szenario wird durch den experimentellen Stil Dave McKeans unterstützt, der ebenfalls untypisch für die bis dahin eher klar gezeichneten Superhelden-Comics ist (und bald seine Nachahmer fand, z. B. David Macks »Kabuki« oder Todd McFarlanes »Sam & Twitch« und »Hellspawn«).

»Black Orchid« wendet sich weniger an die durchschnittliche Comic-Leserschaft, die vor allem Action und realistisch-idealistische Zeichnungen schätzt, sondern mehr an ein reiferes Publikum, das Lektüren bevorzugt, die aus dem Rahmen fallen. Dass man auch eine Superhelden-Story ganz anders aufziehen kann, stellen Neil Gaiman und David McKean mit dem Titel unter Beweis – und vielleicht wird nun so mancher, der stets einen Bogen um die Superhelden machte, diese in einem neuen Licht sehen und gezielt nach den Heften greifen, die ebenfalls vom gängigen Muster abweichen, und das sind mittlerweile mehr, als viele vermuten.