Trudi Canavan: Die Heilerin – Sonea 2 (Buch)

Trudi Canavan
Die Heilerin
Sonea 2
(The Rogue)
Aus dem australischen Englisch übersetzt von Michaela Link
Titelillustration von Birgit Gitschier
Penhaligon, 2011, Hardcover, 574 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-7645-3042-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Die „Sonea“-Trilogie ist die Fortsetzung des Dreiteilers „Die Gilde der Schwarzen Magier“ und des Oneshots „Magie“, die man für das Verständnis des vorliegenden Buchs nicht unbedingt gelesen haben muss. Band 2, „Die Heilerin“, knüpft nahtlos an den ersten Teil, „Die Hüterin“, an, den man kennen sollte, und wird von Band 3, „Die Königin“, zu Ende gebracht.

„Die Heilerin“, der zweite beziehungsweise fünfte Teil der „Sonea/Die Gilde der Schwarzen Magier“-Saga, schildert dramatische Geschehnisse an unterschiedlichen Orten mit verschiedenen Protagonisten. Die Handlung wird weiter-, teils auch zusammengeführt, bewahrt jedoch – wie üblich für einen ‚Mittelband‘ – die meisten Antworten für den Schlussroman auf.

Die Schwarzmagierin Sonea wurde von der Gilde beauftragt, den wilden Magier Skellin zu finden und unschädlich zu machen, da er über Imardin immer mehr Macht gewinnt. Hilfe erhält sie von ihrem Jugendfreund Cery, einem Dieb, dessen Familie von Skellin und seinen Handlangern ermordet wurde, mit Ausnahme seiner Tochter Anyi, die den Feind zu infiltrieren versucht. Auch der Magier Dorrien, der Sonea schon lange liebt, jedoch eine andere geheiratet hat, nachdem sich Sonea für den inzwischen verstorbenen Akkarin entschieden hatte, steht ihr bei und stürzt sie durch sein Bekenntnis, dass er mit Alina nicht glücklich ist, die ahnt, dass er Sonea nicht vergessen konnte, in ein Wirrwarr der Gefühle.

Darüberhinaus sorgt sich Sonea um ihren Sohn Lorkin, der mit Botschafter Dannyl nach Sachaka reiste, um politische und wirtschaftliche Beziehungen zu dem einstigen Gegner aufzubauen. Seit Lorkin sich mit Dannyls Segen den sogenannten Verräterinnen, Sachakanerinnen, die verbotenerweise Magie ausüben und sich ein eigenes kleines Reich geschaffen haben, anschloss, hat niemand etwas von ihm gehört. Tatsächlich gerät Lorkin in arge Bedrängnis, denn nicht alle Sachakanerinnen stehen ihm wohlwollend gegenüber. Die Heilerin Kalia lässt ihn entführen und seiner Magie berauben, damit sie ihm in seinem geschwächten Zustand alle Geheimnisse entreißen kann. Anschließend soll er sterben.

Derweil bricht Lord Dannyl zusammen mit seinem sachakanischen Gastgeber Ashaki Achati und seinem ehemaligen Geliebten Tayend, der als elynischer Botschafter im gleichen Haus weilt, nach Duna auf. Er möchte mehr über die gemeinsame Geschichte aller Länder erfahren, Verbündete suchen und neue Magie entdecken. Insbesondere die magischen Steine der Duna interessieren ihn, seit er von dem Lagerstein las, dessen gewaltige Macht einen ganzen Landstrich zur Ödnis werden ließ. Falls es noch Lagersteine gibt oder jemand weiß, wie sie herzustellen sind, droht Kyralia, Sachaka, Elyne und anderen Reichen große Gefahr. Unglücklicherweise haben die Verräterinnen den Duna die Geheimnisse der Steinherstellung gestohlen.

Die naive Novizin Lilia, die aus einfachen Verhältnissen stammt, freundet sich mit Naki an, die schon ein Jahr weiter ist und ein reiches Elternhaus hat. Obwohl sich Lilia wundert, weshalb Naki ausgerechnet ihre Gesellschaft sucht, freut sie sich und verliebt sich sogar in die neue Freundin, die ebenfalls wenig Interesse an Männern bekundet. Durch Naki lernt Lilia Dinge kennen, um die sie allein einen großen Bogen geschlagen hätte: Glühhäuser (Bordelle), Alkohol, die Droge Feuel, schwarze Magie. Enthemmt durch den Feuelgenuss lässt sich Lilia dazu hinreißen, die Übungen in einem Buch zu befolgen, das die verbotene Magie lehrt. Da es heißt, man könne sie nicht durch Lesen, sondern nur mit Hilfe eines Schwarzmagiers erlernen, sieht sie in dem Experiment keine Gefahr für sich. Wider Erwarten klappt der Versuch. Am anderen Tag erwacht Lilia mit Blut an den Händen, und Naki behauptet, die Freundin habe ihren Vater ermordet. Die Magie beider Mädchen wird von der Gilde blockiert, Lilia eingesperrt – und Naki ist plötzlich spurlos verschwunden. Zusammen mit der gleichfalls blockierten wilden Magierin Lorandra, Skellins Mutter, bricht Lilia, die die Blockade aufheben konnte, aus, um mit der Hilfe der gerissenen Frau Naki zu finden, die sie in Gefahr wähnt. Ein großer Fehler!

Trudi Canavan schildert das weitere Schicksal jener Protagonisten, mit denen der treue Leser bereits vertraut ist, führt aber auch einige neue Handlungsträger ein. Gemeinsam sorgen die Charaktere dafür, dass sich die Saga, auch wenn nicht zu viel verraten wird, spannend weiterentwickelt und die verschiedenen Problematiken neue Aspekte erhalten beziehungsweise weitere Konflikte hinzukommen und sich für die Zukunft abzeichnen.

Titelfigur Sonea bleibt diesmal eher passiv, da die Gilde ihre beiden Schwarzmagier nach wie vor misstrauisch im Auge behält. Die investigative Arbeit leisten vor allem Cery und Anyi, während Sonea neben ihrer eigentlichen Aufgabe, Skellin zu fangen, mit den Befragungen von Lorandra und Lilia beschäftigt ist, sich Gedanken um ihren verschollenen Sohn macht und über ihre Gefühle für Dorrien. Das ermöglicht größeren Spielraum in Imardin für Lilia, die – wie der erfahrene Leser schon zu Beginn ahnt – von Naki in eine Falle gelockt wird. Warum und dass es wirklich so ist, wird erst am Ende des Buchs enthüllt. Allerdings scheint trotz allem ein Happy End für Lilia greifbar. Außerdem verhilft sie der Gilde zu neuen Erkenntnissen über die schwarze Magie, leider jedoch auch anderen, die nach wie vor auf freiem Fuß sind und ihre unheilvollen Pläne vorantreiben, auf die nicht näher eingegangen wird.

Außerhalb der kyralischen Hauptstadt setzen Dannyl und Lorkin ihre Forschungen fort. Das Ziel beider ist es, die Geschichte durch schriftliche und mündliche Überlieferungen genauer zu rekonstruieren, neue Magien zu erlernen und Verbündete gegen größere Gefahren zu gewinnen. Dass sie immer wieder Unterstützung erhalten, liegt daran, dass sie weitsichtige Kollegen finden, die für ihre Länder dasselbe wünschen. Allerdings setzt jeder von ihnen Prioritäten bei seinen Loyalitäten, sodass sich das gegenseitige Vertrauen in Grenzen hält, insbesondere wenn tiefere Gefühle im Spiel sind (Tayend und Dannyl, Achati und Dannyl, Lorkin und die Verräterin Tyvara, die ihn zu ihrem Volk brachte). Tatsächlich erlangen Dannyl und Lorkin unabhängig voneinander neue Erkenntnisse, die für die Gilde von größter Wichtigkeit sind und zu einem Interessenskonflikt führen können.

Der abschließende Band wird verraten, ob es Sonea und ihren Freunden gelingt, Skellin zu stellen und ob es Dannyl und Lorkin schaffen, mit ihren Nachrichten in die Heimat zurückzukehren. Auch die Einstellung zur schwarzen Magie seitens der Gilde, die durch die Summe an Neuigkeiten, eine zögerliche Änderung erfährt, dürfte ein Kernthema sein in Hinblick auf die Verhandlungen mit den potentiellen Verbündeten und Feinden.

Die Australierin Trudi Canavan beschreibt die Erlebnisse ihrer Figuren sehr getragen, ausführlich und flüssig. Selbst wenn diese in Gefahr geraten, bleibt der Stil unaufgeregt, und das Problem wird auf nachvollziehbare Weise gelöst. Das Buch bewegt sich daher hart an der Grenze zur Langeweile, und wer mehr reißerische Action und viel Zauberei erwartet, dürfte wenig Freude an der Lektüre haben.

Ganz offensichtlich legt die Autorin großen Wert darauf, die Geschichte ihrer Welt, seiner Völker und der Protagonisten zu erzählen, Lücken im Wissen der Historiker durch neue Quellen zu schließen und ihre Charaktere weiterzuentwickeln. Diese erfüllen ihre Rollen im Rahmen der Fantasy-Traditionen, wodurch sie stellenweise als klischeehafte Archetypen auftreten (die naive Novizin, die selbstbewusste Diebin, der düstere Schwarzmagier, der loyale Botschafter…). Wilde Kriege und Kämpfe, brisante persönliche Auseinandersetzungen und Todesopfer unter den Sympathieträgern findet man – in diesem Buch – keine. Doch auch die Romanzen, darunter sogar, dem Zeitgeist geschuldet, homosexuelle Beziehungen, treten mehr oder weniger auf der Stelle. Folglich bleibt noch eine Menge übrig für den letzten Teil.

Man muss diese Art Bücher schon mögen, um Spaß an ihnen zu haben. Das Puzzle der Geschichte einer Fantasy-Welt, der verschiedenen Magien und der persönlichen Dramen, bietet durchaus einen interessanten, unterhaltsamen Inhalt, doch sollte man im Vorfeld wissen, worauf man sich einlässt, um die Erwartungen nicht enttäuscht zu sehen, vor allem weil mit einem „Der Spiegel Bestseller“-Aufkleber geworben wird.