John Scalzi: Zwischen den Sternen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 07. Mai 2014 10:11

John Scalzi
Zwischen den Sternen
(Zoe’s Tale)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Bernhard Kempen
Titelillustration von Tomislav Tikulin
Heyne, 2009, Taschenbuch, 446 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-453-52561-0 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Hallo, ich bin Zoë Perry und etwas Besonderes. Stopp, ich bin nicht eingebildet, ich bin wirklich etwas Außergewöhnlich. Mittlerweile bin ich sechzehn Jahre alt, und habe vom Universum schon mehr gesehen, als so manch gestandener Soldat der Kolonialen Verteidigungsarmee. Mein leiblicher Vater, meine Mutter starb schon früh, war ein Verräter an der Menschheit, und dies erweist sich für mich gleichermaßen als Fluch und Segen.
Fluch deshalb, weil die Obin, eine künstlich mit Intelligenz aber ohne Bewusstsein geschaffene Alienrasse, mich verehrt, zum anderen, weil ich aus eben diesem Grund immer von zwei Obin, die sich als ihre Leibwächter betätigen, begleitet werde. Und das ist absolut uncool, insbesondere, wenn man ein Date hat – ich nehme mal an, mehr muss ich dazu nicht ausführen; andererseits aber ist es natürlich ganz nett, von einer ganze Rasse verehrt zu werden.
Meine Adoptiveltern gehörten beide der KVA an und haben ihren Dienst zum Schutz der menschlichen Kolonien abgeleistet. Seit ein paar Jahren leben wir friedlich auf einem in erster Linie von Indern kolonialisierten Planeten, betreiben hier ein wenig Landwirtschaft und genießen unser Dasein. Doch dann sollen wir plötzlich als Kolonialisten zu einer neuen Kolonie reisen, um dort der Menschheit neuen Lebensraum zu erschließen.
Bullshit, wie sich herausstellt, wir sind nur Kanonenfutter im Kampf der Kolonialen Union gegen die Konklave, Kanonenfutter, das zuerst verraten, dann verlassen und schlussendlich geopfert werden soll. Doch da haben meine Eltern, meine Freunde und ich noch ein Wörtchen mitzureden – und genau da wird es so richtig interessant, kann ich doch meine besondere Beziehung zu den Obin endlich einmal wirklich gewinnbringend nutzen. Denn merke, wer eine ganze Alien-Rasse zu seiner Verfügung hat, der kann mit so einigen Machtmitteln drohen – ha, ich bin stark, ich bin wichtig und ich bin am Boden zerstört, denn es gibt auch Opfer zu beklagen…
Hoppsali, da wagt ein Autor etwas eigentlich Undenkbares er schreibt einen Roman zweimal (ja ich weiß, dass Orson Scott Card das auch einmal versucht hat).
Zunächst erschien, als dritter und letzter Band der Abenteuer des KVU-Soldaten John Perry, „Die letzte Kolonie“, und eigentlich wollte es John Scalzi damit bewenden lassen. Die Handlung um Perry war abgeschlossen, das Thema beendet. Doch irgendwie ließ den Autor sein Plot nicht mehr los, Leseranfragen häuften sich und er wagte das eigentlich Undenkbare: Er schrieb einen zweiten Roman über genau dasselbe Geschehen nur eben aus anderer Sicht.
Nun sollte man denken, dass der bekannte Handlungsbogen an Faszination einbüßen würde, schließlich wissen wir schon genau, wie alles passiert, wie der gordische Knoten gelöst wird und unsere Hauptpersonen sich letztlich selbst an den Haaren aus dem Schlamassel ziehen. Und genau hier zeigt Scalzi dann, dass er ein wirklich guter Autor ist. Trotz dieses Handicaps liest sich die Handlung nicht nur rund, sondern auch faszinierend.
Das liegt zum einen darin begründet, dass er alles durch die Augen einer Pubertierenden betrachtet, ihr geschickt eine altersgemäße Stimme und Sichtweise verleiht und so viel Nähe zu Erzählerin aufbaut. Daneben schließt er einige Lücken des ersten Romans, berichtet uns vom Schicksal der intelligenten Ureinwohner des kolonialisierten Planeten aber auch von den Geschehnissen, die Zoë als Gesandte bei der Konklave erlebte. Und es kommt, sowohl im Alltag wie auch während der Auseinandersetzungen, zu derart vielen gefährlichen, lustigen und bewegenden Situationen, dass der Leser aus dem Staunen, dem Mitfiebern und dem Erschrocken sein gar nicht herauskommt.
Das ist beste Unterhaltung, mutig, ein wenig frech und abenteuerlich, so dass die Zeit der Lektüre wie im Flug vergeht.