Edward Lee & John Pelan: Muschelknacker (Buch)

Edward Lee & John Pelan
Muschelknacker
(Family Tradition)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Christian Jentzsch
Festa, 2014, Taschenbuch, 188 Seiten, 12,95 EUR (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Die USA, ein Land des Wohlstands, der öffentlichen Ordnung, das Land Gottes. So zumindest sehen es die meisten ihrer Bewohner, und doch gibt es auch und gerade in diesem Land Abgründe, Perversitäten und Verbrechen wider die Menschlichkeit wie nirgends sonst.

Dies ist die Geschichte zweier Rivalen, beides Meisterköche aus Seattle, die Geschichte der Frauen, die sie begleiten und die Geschichte von zwei Rednecks.

Nun verbindet man gemeinhin mit dem Begriff Redneck den tiefen Süden der USA, eine Gegend, in der es wenig Industrie gibt, in der die zumeist ungebildeten Menschen von Landwirtschaft und der öffentlichen Stütze leben. Doch auch im Norden gibt es Gegenden, die von Gott und der Zivilisation verlassen sind. Hier, am Lake Sutherland, leben zwei Brüder, die ihre Menschlichkeit längst hinter sich gelassen haben. Sie kidnappen Anhalter, um aus deren Körper für ihren Opa ein wohlschmeckendes Mahl zuzubereiten. Kannibalismus nennt man dies gemeinhin, doch was auf der einsamen, mitten im See gelegenen Insel vor sich geht, spottet jeglicher Vorstellung und sprengt diesen tabuisierten Begriff bei weitem.

Auf der Suche nach einer besonders wohlschmeckenden Aal-Art, eben jenem titelgebenden Muschelknacker, kommen der gefeierte Fernsehkoch Ashton und sein Bruder mit ihren Begleiterinnen zum See. Verfolgt werden sie von dem hartnäckigsten Rivalen Astons um die Sterne des Guide Michelin – vor Ort treffen sie auf einen genialen Koch, neue Rezepte, viele Perversionen, einen Opa im See und auf ein gar schreckliches Schicksal…

Die Festa Reihe „Extrem“ richtet sich an Leser, die sich abseits des breiten Mainstreams ihre Lektüre suchen. Das sind Leser, die keine weichgespülten Sex-Szenen lesen wollen, die vor Blut, Grauen und Absonderlichkeiten nicht zurückschrecken, ja, diese suchen. Und sie werden von Edward Lee – diesjähriger Ehrengast auf dem Elstercon in Leipzig – und seinen Co-Autoren immer gut bedient.

Lees Rezept ist ebenso einfach, wie letztlich bestechend. Man nehme eine Aneinanderreihung von Perversionen, brutalsten Gewaltschilderungen und Tabu-Übertretungen mittels dezidierter Beschreibungen des gewaltsamen Akts oder Kannibalismus – und richte die literarischen Scheinwerfer darauf. Das ist widerlich, abstoßend, verstörend und abartig, greift so gut wie jedes Tabu auf, nur um es zu übertreten, und bietet dem Leser damit das, was er in anderen Verlagen vergebens sucht.

Man kann dem Roman eine gewisse morbide Wucht nicht absprechen – so widerlich die einzelnen Szenen bei Licht betrachtet auch sind, in ihrer Überzeichnung erinnern sie an die Faszination, die von einem Tarantino-Film ausgeht oder die morbide Neugier, mit der wir einen blutigen Unfall auf der Autobahn betrachten. Hier wird der Voyeurismus in seiner niedrigsten Form bedient, dies aber auf beeindruckend brutale Art und Weise.