Die mechanische Welt (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 02. April 2010 19:49
Die mechanische Welt
(Terra mecabique: Intégrale)
Text: Jean Baptiste Andreae & Patrick Fitou (für Kapitel 1)
Zeichnungen: Jean Baptiste Andreae
Übersetzung: Resel Rebiersch
Lettering: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2010, Hardcover, 144 Seiten, 19,80 EUR, ISBN 978-3-86869-108-5
Von Frank Drehmel
Auf einem riesigen Ozeandamfer namens „Mekaton“ kreuzt eine illustre Gemeinschaft von – im weitesten Sinne – Menschen über die Weltmeere. Während die Mannschaft für Sicherheit und Wohlergehen sorgt, feiern die Passagiere ein rauschendes Fest nach dem anderen und fürchten ansonsten die Welt außerhalb ihres beschränkten Universums.
Doch nicht jeden befriedigen auf Dauer Dekadenz und Lustbarkeiten, so dass eines Tages Phileon – ein humanoides Nashorn – beschließt, die „Mekaton“ zu verlassen, um sein Glück an Land zu suchen. Allein dieses Vorhaben ist etwas so Unerhörtes, dass Phileon an Bord zu einem Gejagten wird, auf welchen es die Truppen des adlerhaften Sicherheitsoffiziers Feinvogel abgesehen haben. Als es für den Flüchtigen knapp wird, findet er Unterstützung durch Bruno, einen kleinen Jungen, dem die ewigwährende Party ebenfalls auf die Stimmung schlägt, sowie dessen Mutter, die Dame Edmée.
Nach einigen Turbulenzen an Bord gelingt den dreien in Begleitung des von Feinvogel entmachteten Kapitäns sowie eines kleinen stummen, verwahrlosten Mädchens – Basilika –, das sich wie eine Fremde zwischen den Feiernden bewegte, in den antarktischen Gewässern endgültig die Fluch von dem Schiff.
In der eisigen Wildnis fällt es ihnen – insbesondere der nörgelnden Edimée – zunächst zwar nicht leicht, über die Runden zu kommen, aber dank Phileons Optimismus' und eines Stammes eingeborener Menschen fühlen sie sich nach kurzer Zeit heimisch. Wären da nicht die seltsamen Roboter, die vom Stamm des Bären gefürchtet werden, da sie immer wieder Menschen verschleppen, mit denen sie dann mutmaßlich ruchlose Experimente anstellen. Und wären da nicht die Truppen Feinvogels, die die Flüchtenden schließlich doch noch in ihrem Exil aufspüren.
Andreae hat mit „Die mechanische Welt“ ein zauberhaft leichte und spannende Abenteuergeschichte geschaffen, deren drei Kapitel – Oceania, Antartica, Urbanica – nicht nur sachte, zivilisationskritische und philosophische Anklänge enthalten, sondern vor allem durch zahlreiche skurrile Protagonisten und bizarre Details sowie eine lockere Situationskomik und hohes Tempo überzeugen, auch wenn die Handlung selbst in Teilen etwas dünn beziehungsweise nicht immer ganz plausibel daherkommt und die Charaktere nicht bis ins Letzte ausdifferenziert sind.
Elemente des Steampunks, eine seltsame Mischung aus Hi-Tech und antiquierter, fast schon höfischer Ars Vivendi sowie die Ignoranz pysikalisch-meteorologischer Fakten – zum Beispiel bewegt sich Edmée unbeschadet im stylischen, schulterfreien Mini-Kleid inmitten des Packeises – erzeugen eine zunächst surreale, unwirkliche, später postapokalyptisch-freundliche Atmosphäre.
Die Leichtigkeit der Geschichte spiegelt sich in Andreaes Artwork wider: feine Linien, eine aquarellhafte, mutig-bunte Koloration, die visuell interessante Flächen und Texturen generiert, sowie eine Formensprache in der Figurenzeichnung, die zumindest mich zuweilen an den deutschen Maler und Grafiker Otto Dix erinnert, strahlen Lebendigkeit und charmante Lebensfreude garniert mit einem Hauch hedonistischer Fülle aus.
Fazit: Ein leichtes, unterhaltsames, spannendes „Gute Laune“-Comic, das den Leser von der ersten Seite in seinen Bann schlägt, auch wenn sicherlich Tiefgründigeres am Comic-Markt zu haben ist.