Clauß, Martin & Maho: Das Blut der Tako (Buch)

Martin & Maho Clauß
Das Blut des Tako
Titelillustration von Jan Bala
Ueberreuter, 2009, Hardcover, 400 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-8000-5506-7

Von Carsten Kuhr

Als die fünfzehnjährige Saya zusammen mit ihrer Mutter in das gottverlassene Dorf im Norden Japans fährt, in das ihr Vater versetzt wurde, ahnt sie noch nicht, dass ein Fluch auf ihr liegt. Als ein Lenkdrache auf die Windschutzscheibe stürzt und ihr Auto im Graben landet ahnt sie, dass die nächste Zeit nicht leicht für sie werden wird. Das Mädchen, das den Drachen hat steigen lassen, kommt ihr eigentlich ganz sympathisch vor. Doch was meint sie nur damit, dass sie und ihre Familie in Inogi, der Stadt der Takos – der Drachen – nicht willkommen sind?

Als Verantwortlicher für die Windkraftanlage im Dorf ist ihr Vater schon vor Wochen angereist. Als sie dann die Bruchbude, die für die nächsten Monate ihr Heim sein soll, zur Gesicht bekommen, können sie ihren Augen kaum glauben. Selbst beim Einkauf werden sie geschnitten, nur das Mädchen, das den Unfall verschuldet hat, zeigt sich zunächst freundlich. Anscheinend glauben die Dorfbewohner, dass Sayas Vater dafür verantwortlich ist, dass der sonst beständig, das ganze Jahr über wehende Wind kurz vor dem Drachenfest aussetzt – verrückt, oder?
Saya macht sich auf die Suche nach den Verantwortlichen der Rufmordkampagne. Nach und nach besucht sie alle vier Drachenbauer des Ortes, ja, macht sogar die nähere Bekanntschaft eines der Söhne der Handwerker. Dabei hilft es ihr, dass sie eine Naturbegabung für Drachensteigen ihr eigen nennt. Immer deutlicher wird, das es bei dem Drachenfest nicht mit rechten Dingen zugeht. Menschen erheben sich in die Lüfte, Drachen entwickeln ein eigenes Leben und die Vergangenheit verbindet sich mit der Zukunft …

Drachen, Windzither, wie sie in China genannt werden, wurden im antiken Japan als Boten für Nachrichten an die Götter, später zur Übermittlung von Mitteilungen und zum Auskundschaften des Gegners genutzt, sind faszinierende Gerätschaften. Die Meisterwerke aus Wind und Tuch, die Tänzer, die mit dem Wind spielen, ein Ding aus Haut und Knochen ohne Fleisch und Blut, wie sie im Japanischen so malerisch und treffend heißen stehen ganz im Zentrum eines – endlich einmal – ganz anderen, ungewöhnlichen Fantasy-Romans.

Schon mit ihrem ersten gemeinsamen Buch, »Die Saat des Yôkai« (ebenfalls bei Ueberreuter erschienen) vor rund zwei Jahren machte das Autorenehepaar aus Esslingen am Neckar auf sich aufmerksam. Damals ließen sie das alte Japan der Kaiserzeit auferstehen, mixten geschichtliche Fakten mit einer magischen Handlung. Dieses Mal siedeln sie ihren Plot in der Jetztzeit an. Behutsam, fast gemächlich und in der Realität fußend, entwickeln sich die unerklärlichen, übernatürlichen Aspekte erst im Verlauf der Zeit. Bis nach und nach erfahren wir mit unserer Heldin mehr von der Geschichte der Drachen und des Dorfes, kommen wir dem Geheimnis um die Vorgänge und dem zugrundeliegenden Fluch auf die Spur.
Dass Saya, die zunächst als rebellierender, sich im eigenen Körper nicht recht wohl fühlender Teenager dargestellt, wird Probleme mit sich, ihren Eltern und der Situation hat, ist nachvollziehbar. Ihr Suche nach sich selbst, die behutsam sich entwickelnde Beziehung zu einem Jungen, die Rebellion gegen elterliche Autorität sind nachvollziehbar und einfühlsam aufbereitet. In dieses Gerüst aus realen Sorgen haben die beiden Autoren ihre in jeglicher Hinsicht ungewöhnliche und überraschende Handlung eingebettet.

Das ist neu, das ist anders, ungewohnt und gerade deshalb eine Lektüre wert.