Sun Koh – Der Erbe von Atlantis 4: Die Toten von San Miguel, Paul Alfred Müller (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 05. Januar 2014 09:37

Sun Koh – Der Erbe von Atlantis 4
Die Toten von San Miguel
Paul Alfred Müller
Titelillustration von Fritz Lattke
Verlag Dieter von Reeken, 2013, Paperback, 478 Seiten, 27,50 EUR, ISBN 978-3-940679-80-2
Von Carsten Kuhr
Wie wir dies von den Büchern aus dem Verlag Dieter von Reeken gewohnt sind, erscheint auch der vierte Sammelband der Abenteuer des Erben von Atlantis wieder pünktlich.
Zunächst gilt es, die in Alaska verschollene Verlobte Sun Kohs aus den Händen ihres Entführers zu befreien. Dass Sun Koh und seine Begleiter dabei auf ein warmes Tal treffen, in dem sich urzeitweltliche Flora und Fauna erhalten hat, bietet die farbenprächtige Kulisse der Rettung. Allerdings hätte ich von PAM erwartet, dass er, auf den Spuren eines Arthur Conan Doyles wandelnd („Die vergessene Welt“) das Tal und dessen Bewohner weit ausführlicher nutzt als geschehen. Man stelle sich das vor, ein Tal im ewigen Eis der Arktischen Umgebung, in dem Kleinsaurier überlebt haben, in dem Goldnuggets im Fluss schimmern; eigentlich eine Bühne, aus der man gerade mit der Phantasie Müllers so viel hätte machen können. Warum PAM diese Vorlage nicht weidlicher genutzt hat, ist mir unerklärlich.
Von Alaska geht es nach einem kurzen Abstecher ins Kriminal-Milieu und zu einem herrenlosen Zug, der zu entgleisen, droht nach Mexiko. Skrupellose Politiker haben sich zweier Erfindungen bemächtigt, die zusammengenommen eine grauenvolle Waffe ergeben. Ein Stoff, der künstlichen Regen ermöglicht, wird mit einem Spaltpilz kombiniert, der alles, auf das er trifft, in Humus umwandelt.
Danach verschlägt es unsere Helden auf die Kanarischen Inseln, wo sie versteckt in einer Höhle die mumifizierten Überreste 600 Jahre alter Atlantiden finden. Anzumerken ist hierzu, dass der Autor hier thematisch auf tatsächlich aufgefundene Mumien der Guanchen, wie man die Ureinwohner der Kanaren nennt, zurückgreifen konnte.
Unsere Helden zieht es danach einmal mehr in Richtung Nordafrika. Der Aufstand der Berber gegen die verhassten französischen Kolonialherren wird angesprochen, bevor es in die Weiten der Wüste geht. Im Atlas-Gebirge soll Sun Koh, ganz entgegen seinem eigenen Willen, mit einer Prinzessin der Tuareg verheiratet werden.
Sich unsichtbar machen, eine Tarnkappe überziehen und auf diese Weise zu spionieren oder Diebstähle zu begehen – sicherlich der Traum aller Diebe und Agenten. Auch Sun Koh darf sich im Berliner „Adlon“ mit Unsichtbaren, die ihn ausrauben, herumschlagen. Die Spur des flüchtigen Diebes führt nach Osten. In Russland folgt Sun Koh dem Agenten dann ins sibirische Deportationslager, wo dieser dazu verurteilt wird, beim Versuch den Golfstrom mittels eines riesigen Dammes umzuleiten, zu sterben.
Mit dem fressenden Kreis folgt der vielleicht beste Roman dieses Bandes. Einem genialer Wissenschaftler ist es gelungen, Ameisen mittels genetischer Veränderungen dazu zu bringen, sich durch Zellteilung zu vermehren. Als die mutierten Ameisen freigesetzt werden, droht die gesamte Erde von ihnen aufgefressen zu werden.
Auf der Suche nach weiteren Schätzen verschlägt es unser Heldentriumvirat dann nach Usbekistan und später, den Spuren des Dalai-Lamas folgend, nach Tibet.
Natürlich wiederholen sich Handlungsmuster immer wieder. Ein ums andere Mal werden unsere Helden in Verbrechen verwickelt, zu Unrecht beschuldigt und helfen sie den wahrhaft Schuldigen zu fassen und der Gerechtigkeit zuzuführen. Immer wieder entführt der Autor seine Leser dabei in ferne Landstriche, stellt ihnen andere Völker und deren Lebensumstände vor und fasziniert durch das geschickte, unauffällige Einfügen von wissenschaftlichen Erkenntnissen (der damaligen Zeit) und Beschreibungen phantastischer Erfindungen.
Auffällig dabei im vorliegenden Band, dass Müller seine Vision eines auftauchenden Kontinents und dessen Bewohner neu positioniert. In vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Reichsschrifttumskammer wandelt er den Siedlungsraum von einem Ort, an dem alle Nachfahren der ehemaligen Atlantiden Aufnahme finden sollten, in einen Siedlungsraum um, in dem der deutsche Bauer eine neue Heimat finden soll. Ich muss zugeben, dass die entsprechenden Passagen – wie auch andere Regime-konformen Ausführungen – aufgesetzt wirken. Eben weil PAM ein toller Erzähler ist, dessen Texte sich spannend und rund lesen lassen, fallen die nationalsozialistisch angehauchten Passagen umso mehr auf. Hier wirkt Müller oberlehrerhaft, unterbricht den Handlungsfortlauf und ergeht sich umständlich und langwierig in heute kaum mehr nachvollziehbare Gedanken.
Streicht man diese Textabsätze, so bleibt ein toller Abenteuerband mit allem, was PAM so auszeichnet: Ideenreichtum, phantastische Elemente, viel Spannung und exotische Handlungsorte.