Gormenghast (DVD)

Gormenghast
GB 2000, Regie: Andy Wilson, mit Jonathan Rhys Meyers, Christopher Lee, Stephen Fry u.a.

Von Christel Scheja

Die „Gormenghast“-Romane von Mervin Peake kamen bereits in den 1970er Jahren nach Deutschland und gehörten zu den literarisch hochwertigeren Titeln von Klett Cotta, die im Schatten der leicht bekömmlicheren Fantasy-Kost eher untergingen und ein tristes Dasein in den Stadtbüchereien führten, da sie zu den schwerfälligeren Geschichten des Genres gehören. Erist im Jahr 2000 wagte die BBC im Rahmen des Erfolgs der „Herr der Ringe“ und „Harry Potter“-Filme eine Umsetzung in eine vierteilige Miniserie mit jeweils einstündigen Episoden.

Seit sehr langer Zeit herrscht die Groan-Dynastie in dem abgelegenen Schloss Gormenghast. Die Jahrhunderte haben viele Regeln und Gebote mit sich gebracht, die jeder Earl erweitern konnte, wenn es ihm gefiel, und das hat sich auch in diesen Tagen nicht geändert. Auch wenn der Fortbestand der Familie auf der Kippe steht, hat die jetzige Gräfin ihrem Mann bisher doch nur eine Tochter geboren. Allerdings ist sie nach vielen Jahren wieder schwanger und hofft diesmal auf den ersehnten Erben.

Jedoch nicht nur die Herrschaft hält stur und leidenschaftlich an den überlieferten Traditionen fest, auch die Dienerschaft beugt sich gehorsam den Regeln, die jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind in der weiträumigen Burg, die niemand wirklich kennt, einen festen Rang und Platz zuweist, der sich nur selten ändern wird.

Steerpike, einer der Küchenjungen ist mit seiner Stellung jedoch unzufrieden und setzt alles daran, sie zu ändern. Mit List und Tücke versucht er die Schwächen und Fehler der anderen auszunutzen und sich in eine bessere Position zu bringen. Seine Intrigen bleiben lange unbemerkt, denn Flay, der treue Leibdiener des Grafen und strenge Wächter über dessen Würde und Macht, wird von Tragödien abgelenkt. Denn auch wenn dem Hause Groan mit dem kleinen Titus ein Erbe geboren wird, so stirbt der Vater des Knaben schon bald einen schrecklichen Tod, den Flay nicht verhindern kann. Die Mutter und Witwe übernimmt die Regentschaft, wenn auch nicht die Sorge um das Kind. Die wird erfahrenen Dienerinnen anvertraut und einer jungen hübschen Frau aus dem Ort, die jedoch ebenfalls ihre Kompetenzen überschreitet, indem sie ihre ungeborene Bastard-Tochter als Ziehschwester des jungen Grafen bezeichnet.

Es kommt, wie es kommen muss: Während anderenorts die Gefühle heftige Wellen schlagen und die Eigenmächtigkeiten der Rangniederen bestraft werden, gelingt es Steerpike unbemerkt aufzusteigen. Mit List und Mord erkämpft er sich eine hohe Stellung in der Burg, während Titus zu einem jungen, nachdenklichen Mann heranwächst, der nicht mehr länger dazu bereit ist, sich den strengen Traditionen zu fügen – zumal ihn sein Herz an einen anderen Ort ruft, zu einem wilden, ungestümen Mädchen, das er tief in seinem Inneren kennt. So bedarf es erst einer Person, die ihm die Augen öffnet, um zu erkennen, dass Steerpike nun auch ihm zur Gefahr werden könnte...

Kenner der Bücher werden schnell feststellen, dass die Fernsehserie nur einen kleinen Ausschnitt aus der komplexen Welt der Romane zeigt, dafür aber einen zufriedenstellenden Abschluss besitzt, der in der Vorlage fehlt. Die Geschichte ist natürlich insgesamt etwas einfacher gestaltet und die Intrigen sind auf die wichtigsten Elemente reduziert, dafür finden die Macher aber ein gesundes Mittelmaß zwischen Spannung und Hintergrund.

Actionverwöhnte Zuschauer werden ein wenig Stunts und Kämpfe vermissen – Waffen werden auf Gormenghast eher selten eingesetzt und wenn dann eher auf drastische als auf künstlerische Weise. Die Figuren setzen sich wenn eher mit der Macht ihrer Stellung, dem Gehorsam ihrer Gefolgsleute und nicht zuletzt mit ihren Worten zur Wehr. Gelegentlich kommt auch einmal Gift zum Einsatz.

Die Erzählweise ist so eher behäbig und manchmal ein wenig langatmig – wenn man sich darauf einlassen kann, aber niemals langweilig. Interessant ist dabei, dass der später durch die Tudors und andere Rollen auf charismatische aber zwielichtige Charaktere festgelegte John Rhys Meyers hier bereits eine Rolle von ähnlichem Typus spielt, etwas jugendlicher, aber nicht minder intrigant und skrupellos – vor allem aber auch in seiner Tragik verständlich. Der junge Titus zeigt auch interessante Züge. Zwar ist er der warmherzige und gute Held, aber auch er zeigt Schwächen und Ängste, muss erst selbst über sich hinauswachsen und gegen sein dunkles Spiegelbild bestehen, bevor er aus seiner festgelegten Rolle herauswächst.

Insgesamt sind die Figuren natürlich in ihrer Vielschichtigkeit gegenüber der Romanvorlage etwas reduziert, ebenso wie die Anzahl der Charaktere, die überhaupt auftauchen, dennoch sind sie nicht die typischen Figuren, die man aus dem Fernsehen kennt, eher Gestalten, die durchaus aus einem Shakespearischen Drama zu stammen scheinen.

Spezialeffekte werde nur sehr sparsam eingesetzt, meist dann, wenn die Burg in ihrer Größe in der Landschaft gezeigt wird. Die Computeranimationen sind leicht als solche zu erkennen, passen aber zu der unwirklichen Stimmung, die die Serie ohnehin schon ausstrahlt. Die meiste Zeit spielen sich die Geschehnisse aber in den Mauern der Burg ab, einem Moloch, der einem Geisterschloss gleicht und viele Geheimnisse birgt, gleichzeitig aber auch zur Theaterbühne wird.

Die Serie wurde auf zwei DVDs verteilt, Bild und Ton entsprechen der Qualität der Zeit. An Extras gibt es nur ein Making of.

Alles in allem ist „Gormenghast“ ein Leckerbissen für alle Fantasy-Fans, die Geschichten und Serien abseits der Norm schätzen und sich auch von einem Drama verzaubern lassen können, das mit so gut wie keiner Magie, aber sehr vielen Intrigen auskommt, die vor allem mit Verstand und List, weniger mit der Klinge in der Hand ausgeführt werden. Die vier Episoden bilden ein in sich geschlossenes Ganzes, bei dem man durchaus aufpassen muss, um alle Nuancen der Handlung mitzubekommen, eine Serie, die sich dadurch aber besonders tief ins Gedächtnis eingräbt. Nur all zuviel Action und durchweg sympathische, heldenhafte Charaktere sollte man nicht erwarten.

DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, englisch Dolby Digital 2.0
Untertitel: deutsch

DVD-Extra:
Making of