Uncanny X-Force 1 (Comic)

Sam Humphries
Blut und Angst
Uncanny X-Force 1
(Uncanny X-Force Vol. 2, 1-6, 2013)
Aus dem Amerikanischen von Carolin Hidalgo
Titelillustration von Kris Anka
Zeichnungen von Ron Garney, Adrian Alphona & Christina Strain u.a.
Panini, 2013, Paperback, 132 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-86201-782-9

Von Irene Salzmann

Der „X-Men“-Spin-off „X-Force” bezeiheungsweise „Uncanny X-Force” hat eine längere, wechselvolle Geschichte hinter sich. Der Titel ging aus den „New Mutants“ hervor, doch das bei den Lesern äußerst beliebte Team wurde von einer ganz neuen, wenig erfolgreichen Gruppe abgelöst, die außer dem X nicht viel mit den übrigen „X“-Titeln zu tun hatte und nach einigen Ausgaben wieder in der Versenkung verschwand.

Später wurde aus „X-Force“ Cyclops’ Black-Ops-Team unter Wolverines Führung, das auch nach seiner offiziellen Auflösung von Wolverine weiter in Einsätze geschickt wurde, die den anderen X-Men zu dreckig gewesen wären.

Nun formiert sich eine neue Gruppe, die von Psylocke und Storm angeführt wird und zu der auch Puck („Alpha Flight“), im weiteren Sinn Cluster (eine von den drei geklonten Fantomex-Persönlichkeiten, „Uncanny X-Force“ 35, 2012), Bishop (einst ein X-Men, dann ihr erbitterter Gegner) und in diesem Story Arc auch Spiral (eine Stuntfrau, die im Mojoverse manipuliert wurde, später für Freedom Force gegen die X-Men arbeitete – Psylocke zählt zu ihren Opfern) gehören.

Wie all diese so unterschiedlichen Charaktere zusammenkommen, schildert der vorliegende Comic.

Storm (wieder mit der Irokesen-Frisur, die sie ab „Uncanny X-Men“ 173, 1983 – vor fast auf den Tag genau 30 Jahren – für eine Weile trug) und Psylocke gehen in Wolverines Auftrag einem Hinweis nach, demzufolge in einem Nachtclub mit bewusstseinsverändernden Drogen gedealt wird und schlimmer. Ihr Kontaktmann ist Puck, der einen Teil des Rätsels bereits lösen konnte. Die größte Überraschung stellt jedoch die Person dar, die für alles verantwortlich zu sein scheint: Spiral („Longshot“ 1, 1985). Für all das, was ihr im Mojoverse („New Mutants Annual“ 2, 1986) einst angetan wurde, will Psylocke Rache an Spiral nehmen und attackiert sie inmitten des Clubs. Eine Auseinandersetzung der Mutanten mit den manipulierten Gästen ist die Folge. Spiral hingegen will gar nicht kämpfen und flieht mit einem kleinen Mädchen, das im Tresorraum versteckt war.

Zur gleichen Zeit kehrt Bishop (ein aus der Zukunft stammender Mutant, „Uncanny X-Men“ 282, 1991) zurück, doch ist er nicht er selbst. Er befindet sich auf der Suche nach dem Mädchen, und als er es findet, passiert etwas Schreckliches. Noch während Psylocke in Bishops Geist eindringt, um herauszufinden, wer oder was ihn dazu getrieben hat, wird sie von Cluster ‚gestohlen‘, die hofft, dass sie gemeinsam Fantomex aus der Gewalt von Weapon XIII, dem bösen Drilling, befreien können. Psylocke lehnt die Bitte ab…

Alles neu in „Marvel Now!“. Auch die Teams werden bunt durchgemischt und Charaktere, die man länger nicht gesehen hat, aus der Mottenkiste geholt bezeihungsweise neu definiert. Sie entwickeln sich dabei im Rahmen eines spannenden Action-Szenarios weiter.

So ist Spiral nicht länger die grausame Ninja, die erst für Mojo, später für die Regierung gegen die X-Men arbeitete, sondern eine junge Frau, der genauso übel mitgespielt wurde wie Psylocke. Mit ihrer modifizierten Gestalt ist ihr ein normales Leben kaum möglich, und der Versuch eines Neubeginns wird durch einen tragischen Verlust überschattet.

Auch Psylocke, die Spiral eine Mitschuld an ihrem persönlichen Drama gibt (Folter, Gehirnwäsche, bionische Augen, immer wieder andere Körper), trifft eine Entscheidung. Entweder lässt sie sich von ihrem Hass konsumieren und tötet ihre Intimfeindin – oder sie lässt Spiral, die sich aktuell keines richtigen Verbrechens schuldig gemacht hat, laufen, da ihr Tod nichts ändern würde und Psylocke nicht besser wäre als jene, die sie bekämpft. Auch ihre Beziehung zu Fantomex dürfte ein neues Level erreichen.

Dass sich Storm ebenfalls verändert hat, machen ihre Frisur und ein neues Kostüm deutlich (endlich ist das hässliche Diadem, das vor einer geraumen Weile wieder ausgegraben worden war, weg). Die Trennung von Black Panther setzt ihr noch immer zu, aber der Teich ist bekanntlich voller Fische, und so mancher fragt sich, ob der Kuss von Wolverine wirklich nur rein freundschaftlich war, zumal Storm auf die entsprechende Frage von Psylocke schweigt.

Bishop, der zuletzt als Feind agierte, da er Hope, die Hoffnung der Mutanten auf ein Überleben ihrer Spezies, töten wollte, da sie in seiner Zukunft für eine Katastrophe verantwortlich ist, taucht zunächst als Berserker auf. Psylocke entdeckt die Ursache für sein Verhalten, doch wie es mit ihm weitergeht, wird in diesen Bänden nicht verraten.

Weiterhin rätselhaft bleiben die Motive und Pläne der drei Fantomex-Klone, ihre Beziehungen untereinander und zu Psylocke. Näheres werden wohl die kommenden Episoden enthüllen.

Wie unkompliziert ist im Vergleich zu jenen anderen Charakteren Puck, der durch seine Eloquenz und seinen derben Humor etwas Spaß in die ansonsten ernste Handlung bringt.

In der Summe ein interessantes Team, dessen weiteren Weg man gern weiter verfolgen wird, zumal die Illustrationen von Ron Garney äußerst ansprechend sind. Allein die Sequenzen, die in Bishops Geist spielen und bewusst von anderen Künstlern gestaltet wurden, fallen qualitativ etwas ab.

„Uncanny X-Force“ 1 setzt mit diesem Neustart die Messlatte für das Kommende hoch an, denn die vordergründige Handlung ist packend und verfügt über eine Menge Potenzial. Auch die Charakterisierung der Handlungsträger ist sehr glaubwürdig und nachvollziehbar. Realistisch-idealistische Zeichnungen runden gelungen ab. So machen die „X“-Serien Spaß und können gewiss neue Sammler gewinnen.