Uncanny X-Men Sonderband 1 (Comic)

Brian Michael Bendis
Uncanny X-Men Sonderband 1
(Uncanny X-Men Vol. 3, 1-5, 2013)
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Petz
Titelillustration von Chris Bachalo
Zeichnungen von Chris Bachalo, Frazer Irving, Tim Townsend u.a.
Panini, 2013, Paperback, 106 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-86201-782-9

Von Irene Salzmann

Seitdem die Phoenix Five von ihrer Macht korrumpiert wurden, ist nichts mehr, wie es einmal war. Professor Xavier ist tot, ermordet von seinem Lieblingsschüler Cyclops. Er und seine Mitstreiter werden, seit ihnen die verheerende Kraft genommen wurde, von der Justiz gejagt. Einige von ihnen haben sich zurückgezogen, andere blieben bei Cyclops, und wieder welche schlossen sich seinem neuen Team an, darunter einige Jugendliche, deren Fähigkeiten plötzlich zum Ausbruch kamen und die deshalb beinahe in polizeilichen Gewahrsam genommen worden wären.

So ganz können die Teenager immer noch nicht begreifen, was mit ihnen passiert, dass für sie kein normales Leben mehr möglich ist und die verborgene Schule ihr neues Zuhause sein soll. Als Cyclops dem Wunsch von Tempus nachgibt, die ihre Mutter gern besuchen möchte, tauchen unverhofft die Avengers auf und verlangen, dass Cyclops und Emma Frost sich ergeben. Wie konnten Captain America und seine Gruppe so schnell vor Ort sein? Es scheint, als gäbe es einen Verräter unter den X-Men.

Das sind aber längst nicht all ihre Probleme. Nachdem Cyclops, besessen von der Phoenix-Macht, seine Kameraden manipulierte, funktionieren deren Kräfte nicht mehr auf gewohnte Weise. Seine optischen Strahlen lassen sich kaum noch kontrollieren, Emma Frost ist keine Telepathin mehr beziehungsweise sendet bloß noch, Magnetos Magnetkräfte sind stark geschwächt, und auch Magiks Fähigkeiten haben sich verändert. Plötzlich wird sie von Dormammu in den Limbus entführt und kann sich ihm nur widersetzen, indem sie sich in Darkchilde verwandelt…

Natürlich tragen die ehemaligen Phoenix Five schwer an der Schuld, die sich auf sich luden, als sie den Verlockungen der Macht erlagen, insbesondere Cyclops. Doch keiner von ihnen will den Kopf in den Sand stecken, sondern für die Verbrechen büßen, indem sie weitermachen und nach wie vor die Menschheit beschützen. Allerdings genießen die Anliegen des Homo Superiors, vor allem die Sicherheit der neuen Mutanten, die jetzt auf der ganzen Welt auftauchen, Priorität.

Emma Frost geht noch weiter, indem sie Iron Man, den Avengers und anderen Helden eine Mitschuld an der Tragödie gibt, denn durch ein Experiment, das verhindern sollte, dass der Phoenix die Erde erreicht und vernichtet, wurde er in fünf Teile aufgespalten, die sich Cyclops, Emma Frost, Namor, Colossus und Magik als Gefäße auswählten. Überhaupt waren die X-Men und alle Mutanten stets mit ihren Problemen allein gelassen worden.

Diese Vorwürfe sind nicht vom Tisch zu weisen, und die Avengers haben aus den alten Fehlern gelernt, indem sie wieder mehr Mutanten in ihre Teams aufnehmen, wenn auch nicht in jenes, mit dem sich die X-Men konfrontiert sehen. Captain Marvel (vormals Ms. Marvel, Binary, Warbird), die zeitweilig Mitglied der X-Men war, versucht vergeblich zu vermitteln. Die Situation eskaliert, da Captain America und Cyclops nicht nachgeben wollen – mit überraschendem Ausgang.

Auch das Rätsel um den Verräter wird anders gelöst, als man erwartet hätte. Welche Folgen das hat, bleibt genauso offen wie die weiteren Geschehnisse im Limbus, wo Magiks düsteres Ich, Darkchild, frei kommt.

Der Band bietet in der Summe den gewohnten „X-Men“-Mix aus spannenden Action-Szenen, persönlichem Drama mit einigen auflockernden humorigen Szenen, die hauptsächlich von den Teenagern ausgehen, und – diesmal wenig – Romantik, denn Cyclops und Emma Frost sind kein Paar mehr bezeihungsweise werden neue Beziehungen einige Zeit brauchen, da sich die alten und die neuen Team-Mitglieder erst einmal zusammenraufen müssen. Zu dem SF-/Urban-Fantasy-Background werden durch die Ereignisse im Limbus Horror-Elemente hinzugefügt. Geschrieben wurde das Abenteuer von Brian Michael Bendis, der einer Vielzahl Serien seinen Stempel aufdrückte, unter anderem „Jinx“, „Sam and Twitch“, „Ultimate Spider-Man“.

Zwei Zeichner setzten die fünf US-Ausgaben um, zum einen Chris Bachalo („Generation X“, „Wolverine and the X-Men“, X-Men“ etc.), zum anderen Frazer Irving („Judge Dredd“, „Shade“, „Warhammer Monthly“ und so weiter). Der Stil von Chris Bachalo ist etwas comichaft, sparsam in den Details und wenig dynamisch. Frazer Irving bedient sich einer Mischtechnik, die die Charaktere gleichfalls comichaft wirken lässt, während die Hintergründe gemalt sind. Beides ist etwas gewöhnungsbedürftig und was (besser) gefällt, ist Geschmackssache.

Dennoch dürften die meisten Leser die Handlung als spannend genug bewerten, dass sie nach dem Cliffhanger auch die Fortsetzung lesen wollen – und Sammler greifen ohnehin zu.