Arthur Gordon Wolf: Katzendämmerung (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 01. November 2013 16:05
Arthur Gordon Wolf
Katzendämmerung
Titelillustration von Timo Kümmel
Innenillustrationen von Jessica May Dean und Lupus
Luzifer, 2013, Paperback mit Klappenbroschur, 666 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-943408-15-7 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Das bislang umfangreichste Buch aus dem Luzifer-Verlag präsentiert uns eine Neuauflage der ersten beiden Romane der Trilogie sowie den bislang noch fehlenden Abschlussroman in einem Sammelband. Vor Jahren bereits im Verlag Eloy Edictions erschienen, waren die ersten beiden Titel – auch damals in einem Buch zusammengefasst – lang vergriffen. Die äußere Gestaltung des Paperbacks macht neugierig. Altägyptische Hieroglyphen und das allsehende Horus-Auge stimmen auf den Inhalt ein.
Die Handlung beginnt im Jahre 1906. Während San Francisco von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht wird, brechen immer wieder Feuer aus. Nicht immer aber sind geborstene Gasleitungen oder offene Feuerstellen dafür verantwortlich. Ein perverser Kinderschänder nutzt die Gunst der Stunde, um ein junges Mädchen einzufangen und in seinen Folter-Keller zu bringen. Doch dann erweist sich sein vermeintlich hilfloses Opfer, die „flammende Jenny“ als ganz besondere Pyromanin. Feuer umspielt ihre Haut, Feuer, das nicht verbrennt; sie zumindest nicht…
1990 kehren wir mit dem Autor in die Bay-Gegend zurück. Thomas Trait arbeitet als erfolgreicher Mode-Fotograf. Ein Auftrag führt ihn zu den Raubtier-Gehegen im örtlichen Zoo. Eine Frau in der Zuschauermenge sticht ihm dabei ins Auge. Schöne Körper, beeindruckende Gesichter, das ist er bei seinem Beruf gewöhnt, doch derartig ausdrucksstarke Augen hat auch er noch nie gesehen. Am Gehege eines Ligers, einer Kreuzung zwischen Tiger und Löwe, beginnt eine Romanze, die sein Leben und sein Weltbild auf den Kopf stellen wird. Die nächsten Wochen, Monate und Jahre stehen ganz im Bann ihrer gewalttätigen Libido. In der Wohnung der faszinierenden Frau, die mehr einem Museum für altägyptische Kunst kombiniert mit einer Sammlung uralter Katzenstatuen gleicht, fallen die Beiden wild und zügellos übereinander her. Was als erotische Tour de Force beginnt, das entwickelt immer tiefere, emotionale Züge. Doch dann bleibt Natascha immer öfter über Nacht weg. Als Thom sie verfolgt, findet er seine große Liebe im sodomitischen Akt mit dem Liger wieder. Sein Entsetzensschrei stört das einträchtige Liebesspiel, Natascha findet unter den Klauen des Ligers ihr blutiges Ende.
Kurz danach schließt sich Thomas eine schwarze Katze, Tascha genannt, an. In ihren Augen glaubt er den Blick seiner verflossenen Liebe wiederzuerkennen. Ist es nur im festen Griff des Gins, oder steckt mehr hinter seinem Wahn? Bastet selbst, die ägyptische Katzengöttin wandelt auf seinen Wegen und versucht, ihren Geist ihm zuliebe wieder in einen menschlichen Körper zu versetzen. Ein Plan, der nicht nur uralte Magie und die Hilfe längst vergessener Götter benötigt, sondern auch ein Opfer; denn merke, der Tod ist nicht das Ende, doch selten meint es das Schicksalsrad wirklich gut mit den Sterblichen.
Die Transformation gelingt, doch dann offenbart sich Bastets andere, gefährliche Seite. In ihrer Inkarnation als Sachmet wird sie zur gnadenlosen, mordenden Jägerin. Opfer pflastern ihren Weg, während Thomas in einem alten Expeditionsbericht aus dem Jahr 1891 dem Geheimnis der Göttin auf die Spur kommt…
Arthur Gorden Wolf, um beim Pseudonym zu bleiben, hat zwei faszinierende Geschichten vorgelegt. Der erste Band, eigentlich umfangmäßig eher eine Novelle als ein Roman, spielt sehr geschickt mit der Erwartungshaltung des Rezipienten. Das Motiv der vom Erdbeben heimgesuchten Pazifikstadt ist uns aus Film und Büchern nur allzu bekannt. Dass sich in der Stadt Gewalt und Verzweiflung ausbreitet, damit rechnet man. Dass aber ein perverser Kinderschänder die „Gunst der Stunde“ dazu nutzt, um auf Beutezug zu gehen, das fordert vom Leser schon Einiges an Bereitschaft. Dennoch passt die Handlungsweise zu „unserem“ Pädophilen, muss der Leser geschockt mit ansehen, wie dieser das schon von Elend, Angst und Verlust geplagte Opfer noch zusätzlich bedroht. Umso überraschender für mich, dass der Autor hier darauf verzichtet, uns in die Rolle des Kindes zu versetzen, sondern konsequent seinen Blick auf den Täter richtet. Dass sich das scheinbar ohnmächtige Opfer dann sehr wohl seiner Haut zu wehren weiß, wurde vorab angedeutet, bleibt aber letztlich eine genauere Erklärung der Umstände – noch – schuldig.
Im zweiten Teil, der selbst wiederum in zwei Romane aufgeteilt ist, geht der Autor wesentlich direkter an seine Charaktere heran. Mit Thomas haben wir eine Identifikationsfigur, die zwar nicht übertrieben sympathisch dargestellt wird, die aber Ecken und Kanten hat, die schwierig ist, aber auch interessant. Seine Obsession – denn ewig lockt das Weib – treibt ihn dazu, sich selbst aufzugeben, sich ganz dem Hier und Jetzt zu öffnen. Dieser Rauschzustand wurde von Wolf sehr gut herausgearbeitet. Immer wieder nimmt die Handlung überraschende Wendungen, werden neue Elemente in die Handlung eingebaut. Bei all der Konzentration auf unsere beiden Hauptpersonen bleiben deren Umgebung und die Nebendarsteller ziemlich unscharf.
Dies ändert sich zunächst auch im abschließenden dritten Teil nicht. Erneut versinken wir in einem Sinnestaumel, verlieren den Bezug zur Realität. Erst mit dem Auffinden des Expeditionstagebuchs und der Lektüre der Ereignisse, die 1891 in Ägypten stattfanden, kommt wieder Stringenz und Spannung auf. Hier fesselte mich der Autor mit einem atmosphärisch dichten Handlungsgeflecht, das uns die Wurzeln der Göttin Bastet, ihre uralten Geheimnisse und schussendlich die Auflösung des Romans bringt.
Das hat Pepp, unterhält spannend und ansprechend und bietet, auch durch die liebevolle Gestaltung mit zum Text passenden Innenillustrationen, viel Buch fürs Geld.