Simon R. Green: Wächter der Menschheit – Shaman Bond 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 20. März 2010 23:32
Simon R. Green
Wächter der Menschheit
Shaman Bond 1
(The Man with the Golden Torc)
Aus dem Englischen übersetzt von Axel Franken
Titelillustration von Arndt Drechsler
Bastei-Lübbe, 2010, Taschenbuch, 342 Seiten, 8,99 EUR, ISBN 978-3-404- 20615-5
Von Carsten Kuhr
Gestatten, mein Name ist Bond, Shaman Bond. Na eigentlich heiße ich Eddie Drood, aber in unserem Metier tut man gut daran, seinen wahren Namen geheimzuhalten. Sie kennen mich nicht, aber seien Sie versichert, ohne mich und meine Familie würden Sie schon lange nicht mehr existieren. Seit Jahrhunderten wachen wir Droods über die Menschheit.
Vor was wir Sie beschützen, wollen Sie wissen? Na, stellen Sie sich einmal vor, dass all die bösen Wesen aus den Märchen und Sagen wirklich existieren würden – tun sie auch – nur, dass die Gebrüder Grimm und Konsorten gewaltig untertrieben haben. Dazu gesellen sich dann noch Aliens, biblische Dämonen, Monster aller Art – sonst noch Fragen?
Versehen mit meinem Torques, einer lebendige Rüstung die mich gleichzeitig unangreifbar – fast – und unsichtbar – leider nicht für alle finsteren Wesen – macht, begebe ich mich dann im Auftrag meiner Familie auf die Jagd nach den bösen Buben und Mädchen, na ja, ein paar Neutren sind bei all dem Gezücht auch dabei.
Ach ja, ich hatte vergessen zu erwähnen, dass ich mich, als schwarzes Schaf der Familie seit gut zehn Jahren nicht mehr im Herrenhaus habe blicken lassen? Kaum habe ich meinen letzten Auftrag, eigentlich unnötig zu erwähnen: erfolgreich, versteht sich, beendet, und mich mit der Silikon Lily aus dem 23. Jahrhundert in mein Loft verkrochen, da lässt mich die Matriarchin doch tatsächlich im innersten Heiligtum der Droods antanzen. Noch nicht richtig zurück im Haus, das ich einmal als nicht eben sonderlich behagliches Heim kennen- und fürchten gelernt habe, passiert schon Unerhörtes. Ein Anschlag auf das Herz, dem Stein, dem wir Droods unsere besonderen Kräfte verdanken. Nur meinem schnellen und entschiedenen Eingreifen ist es zu verdanken, dass das Schlimmste gerade noch abgewendet werden kann. Dennoch, wer greift die mächtigste Familie auf Erden, noch dazu in ihrem streng geschützten Hauptquartier, an – und warum? Ist da etwa ein Maulwurf unter meinen viele Verwandten?
Eigentlich undenkbar, aber dann wird die Chose immer unglaublicher. Die Matriarchin entsendet mich auf eine Mission – ja ich weiß, das ist nun nichts wirklich umwerfend Neues. Dass mich auf dem Weg aber eine ganze Reihe unterschiedlichster Monster erwarten, dass ich von meiner Familie für vogelfrei erklärt werde, das ist schon etwas, das nicht unbedingt alltäglich ist. Die Matriarchin selbst hat es auf mich abgesehen. Das Warum und Wieso versuche ich, verfolgt von der ganzen – wie schon erwähnt nicht unbeträchtlichen – Macht meiner Ex-Familie, zu ergründen. Sie kennen das ja, der Feind meines Feindes … und so komme ich zu etwas … na nennen wir es … ungewöhnlichen Verbündeten. Mr. Stich zum Beispiel, früher einmal von der Regenbogenpresse als Jack benannt (ja, natürlich der Ripper), ein Blumenmädchen oder die Hexe Molly Metcalf – und ich erfahre die Wahrheit hinter dem Mythos der Drood-Familie …
2007 bereits erschien dieser Roman in den USA. Zu einer Zeit, da die Urban-Fantasy-Welle bereits die Buchhandlungen beherrschte, in der die entsprechenden Serien auf den Bestsellerlisten auftauchten, erhob da ein Autor seine Stimme, der ganz bewusst versuchte ein wenig anders zu sein, als der Trend.
Nicht, dass Green sich dem erfolgsversprechenden Rezept ganz verschließen würde, doch sein Ich-Erzähler nimmt weder sich selbst noch die Handlung sonderlich ernst, redet wie ihm der Schnabel gewachsen ist, respektlos, schnippig und hemdsärmlich daher, dass es eine wahre Freude ist. Das ist endlich einmal kein chemisch reiner Held aus der Retorte, sondern ein Charakterkopf – wenn man ihm denn Charakter zubilligen mag – der selbstironisch sich selbst, seine Rolle und Bestimmung amüsant hinterfragt.
Auf seiner Flucht kommt er denn auch mit allerlei nicht eben stomlinienförmigen Geschöpfen in Kontakt. Sei es, dass er einen der abgedrehtesten Swingerclubs besucht, von denen je gelesen wurde, hinter einem Thai-Restaurant einen extravaganten Informationshändler heimsucht oder in den Kloaken der englischen Hauptstadt nach Verbündeten forscht – das liest sich so psychedelisch abgedreht und ungewöhnlich, dass es eine wahre Freude ist.
Geschickt und amüsant zu lesen nimmt der Autor ein ganzes Filmgenre, allen voran natürlich die "007"-Blockbuster, auf die Schippe. Dabei verwöhnt er seine Leser mit nie vorhersehbaren Wendungen, skurrilen Gestalten und jeder Menge aberwitziger Situationen. Mit Logik hat dies nichts am Hut, dafür umso mehr mit Spaß am Fabulieren und Schmökern, mit Spannung und Ideen.