Michael K. Iwoleit: Die letzten Tage der Ewigkeit (Buch)

Michael K. Iwoleit
Die letzten Tage der Ewigkeit
Mit einem Vorwort von Franz Rottensteiner
Wurdack, 2012, Paperback, 256 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-938065-83-9

Von Gunther Barnewald

Die vorliegende Storysammlung enthält vier Kurzgeschichten und zwei Novellen (von ca. 80 Seiten Länge) von Michael K. Iwoleit, der inzwischen nicht nur ein renommierte Kritiker, sondern auch ein anerkannter SF-Autor ist und schon einige deutsche SF-Preise abgeräumt hat. Die hier veröffentlichten Werke sind, bis auf die Novelle „Zur Feier meines Todes”, bereits vorher in Anthologien erschienen.

Nach einem Vorwort von Franz Rottensteiner, der völlig zu recht darauf hinweist, dass dieser Sammlung leider die hervorragende Erzählung „Wege ins Licht” fehlt (vielleicht das Beste, was Iwoleit bis dato geschrieben hat, unverständlich, warum man sie hier nicht mit aufgenommen hat), beginnt dieses Buch mit der Story „Der Schattenmann”, die bereits in einer von Wolfgang Jeschke herausgegebenen Heyne-Anthologie („Das Proust-Syndrom“) vertreten war. Ein Personenschützer wurde so schwer verletzt, dass seine kläglichen Überreste eigentlich nicht mehr am Leben sein dürften. Doch zu aller Entsetzen, auch der des Protagonisten, regeneriert sich sein Körper unaufhaltsam immer mehr, bis eine schreckliche Erkenntnis den armen Mann einholt...

In der Titelgeschichte (erstveröffentlicht in „Nova“ 6) geht es um einen Wissenschaftler, der das Rätsel um den überlichtschnellen Raumflug löst, dies jedoch zum Ausgangspunkt einer grausamen Rache macht...

„Planck-Zeit” (aus Hellmuth W. Mommers im Shayol Verlag publizierter Anthologie „Die Legende von Eden“) berichtet von der Erkenntnis eines Wissenschaftlers, dass sein Universum gar nicht so alt ist, wie alle immer dachten...

Die Novelle „Ich fürchte kein Unglück” (aus „Nova“ 4) erzählt sehr kundig und packend von einem Computergenie, das der eigenen „Unsterblichkeit” (im Sinne ewigen Erinnertwerdens) sehr nahe kommt, dabei jedoch nicht nur ein unglückliches Leben ertragen muss, sondern auch vom Untergang der Menschheit erfährt...

Die bisher unveröffentlichte Novelle „Zur Feier meines Todes” erzählt von einer Menschheit, die endlich die Unsterblichkeit erreicht hat, aber zu dem Preis, dass keine Nachkommen mehr geboren werden. Erst wenn jemand freiwillig abtritt, darf wieder ein Kind zur Welt kommen, so dass der Selbstmord des unsterblichen Gavril für ein anderes Ehepaar bedeutet, dass sie ein Kind aufziehen können...

In der letzten Kurzgeschichte, „Wachablösung”, (erstmals in einer weiteren Heyne Anthologie, herausgegeben von Wolfgang Jeschke, unter dem Titel „Partner fürs Leben erschienen) berichtet der Autor von einem aufwendigen technischen Versuch, fremde Welten mit Leben zu besamen, der tragisch und kläglich scheitert...

Mit Ausnahme der inkohärenten Novelle „Zur Feier meines Todes”, die leider zu unausgegoren wirkt und den Leser an keiner Stelle zu fesseln vermag, bestechen die anderen Geschichten durch den brillanten, sprachlich herausragenden Stil des Autors. Obwohl Iwoleit gerne auch mal Fremdwörter einsetzt, bleiben seine Texte immer verständlich, während er durch Kühle und Rationalität das Leiden seiner Protagonisten umso schonungsloser auf den Punkt bringt. Wie in einem Zitat von Frank Hebben auf dem Klappentext schon angedeutet: Iwoleits Welten sind oft abweisend und bedrohlich, sie funkeln meist kalt wie Diamanten und sind dadurch aber nur umso faszinierender.

Höhepunkt ist sicherlich die desillusionierende Geschichte „Ich fürchte kein Unglück”, in der ein Protagonist geschildert wird, der, obwohl gar nicht krankhaft ehrgeizig, den wahren Sinn des Lebens völlig missversteht und beinahe in depressiver Einsamkeit zu enden droht. Erst eine Nachricht aus der Zukunft, die wohl fast jeden Menschen zur absoluten Verzweiflung getrieben hätte, ermöglicht ihm dann doch noch ein vielleicht kurzes Glück (wobei dies schlussendlich aber offen bleibt).

Thematisch auffällig ist, dass bei Iwoleit die Unsterblichkeit des Einzelnen oft zu dessen eigenem Alptraum wird, da sie eine Erlösung im ewigen Vergessen negiert und so eine immerwährende Hölle für das Individuum kreieren kann.

Wer sich an der sprachlichen Eloquenz und Eleganz des Autors und an dessen guten Ideen berauschen kann, dem sei die vorliegende Storysammlung empfohlen. Zu befürchten ist jedoch, dass Iwoleits Art zu schreiben zu einer Polarisierung der Leserschaft führen dürfte, denn während die einen seine sprachliche Präzision und die fachwortreichen Details lieben, gibt es bestimmt auch viele Leser, denen Iwoleit zu ansprüchlich und kalt erscheinen mag.

Gut dass wir in Deutschland Autoren haben, die nicht nur lau für den Mainstream Bestseller schreiben und es allen recht machen wollen, sondern die ihre ganz eigene Stimme und viel Ausdruckskraft haben, die man entweder mag oder ablehnt, egal wie, die aber durch ihre Art zu schreiben unverwechselbar sind! Einer davon ist Michael K. Iwoleit.