Kinder der Dämmerung 1: Zwischen Licht und Schatten (Comic)

Edward Winokan
Zwischen Licht und Schatten
Kinder der Dämmerung 1
THENEXTART, 2013, Album, 68 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-939400-50-9

Von Irene Salzmann

Als Alexander Winter erfährt, dass er HIV-positiv ist, bricht für ihn eine Welt zusammen. Er will sterben, weil er jegliche Hoffnung verloren hat, und springt vom Dach eines Hauses. In diesem Moment nimmt eine mysteriöse Gottheit Kontakt zu ihm auf. Aeshma verspricht, dass Alex und sein Freund gesund werden, wenn Alex den Geist von Asmodis in sich aufnimmt und sich einer wichtigen Aufgabe stellt. In kurzer Zeit scharen sich vier junge Männer und eine Frau um Alex/Asmodis, die ebenfalls göttliche Gefäße sind und über besondere Fähigkeiten verfügen. Was von ihnen erwartet wird, wissen sie nicht, denn Aeshma hat ihnen nichts Näheres verraten und bleibt für längere Zeit verschwunden.

In einer anderen Dimension wird die kleine Gruppe plötzlich von Monstern angegriffen, die von Ariley und ihren Getreuen kontrolliert werden. Nach dem harten Kampf sind Asmodis und seine Freunde geschwächt. Ariley sieht ihre Chance gekommen, die Gegner auszulöschen – und einer nach dem anderen fällt…

Im Vorwort stellt sich der Autor und Zeichner Edward Winokan vor. Man erfährt, dass er ein großer Fan von amerikanischen Superhelden-Serien und Mangas ist. Dass sie den Inhalt seines Comics und seinen Stil geprägt haben, ist unverkennbar, denn „Kinder der Dämmerung“ wirkt wie eine Mischung aus „X-Men“ und „Sailor Moon“ mit reichlicher Action-Fantasy und einem guten Schuss Gay Romance.

Gibt sich das Cover noch brav, so macht nach dem Aufschlagen des Albums schon das erste Bild deutlich, dass es nicht nur Melonenbrüste à la „Tarot“ (Jim Balent), die aus knappsten Kostümen springen, zu sehen gibt, sondern auch das männliche Pendant dazu, kaum bis gar nicht verhüllt.

Die Handlung bleibt im ersten Band jedoch actionbetont und klammert die romantischen Beziehungen weitgehend aus (darüber erfährt man am Ende des Comics im Rahmen einer Chara-Galerie mehr). Man lernt die Protagonisten kennen, die Guten und die Bösen, erfährt die Geschichte von Hauptfigur Alex/Asmodis, doch als man zu hoffen beginnt, über den Konflikt informiert zu werden, endet der erste Teil, so dass man mit einer Menge Fragen allein gelassen wird. Das ist schade, denn ein Häppchen Information mehr hätten dem Plot gutgetan. So hingegen bleibt alles etwas oberflächlich, da ein Kampf im Vordergrund steht, dessen Ursache im Dunkeln bleibt. Dadurch wirken auch die konträren Parteien eindimensional gut und böse. Und das, obwohl sich der Autor wirklich große Mühe beim Handlungsaufbau gegeben hat, indem er geschickt mit einem ‚Reißer‘ beginnt, dann eine Rückblende bringt, bevor er zu den aktuellen Geschehnissen zurückkehrt, Deus ex Machina eingreifen lässt – und Ende. In diese Kerbe der Oberflächlichkeit hauen auch die Dialoge. „Fiese Hexe“, „Schlampe“, „Fuck?!“, „Macht euch bereit zu sterben!“, „Verschwinde, du Wurm!“ und so weiter klingen schon sehr trivial, um nicht zu sagen: einfallslos und derb. Insbesondere von den ‚Guten‘ hätte man mehr Eloquenz oberhalb der Gürtellinie erwartet.

Die Zeichnungen sind dynamisch und gut gelungen, sowohl die ruhigen als auch die Action-Szenen, dazu schön bunt koloriert, wie man es eben von Superhelden-Comics gewohnt ist. Hauptfigur Alex/Asmodis weist eine frappierende Ähnlichkeit zu dem Künstler auf, optisch und seinen Lebenslauf betreffend. Womöglich hat Edward Winokan auch gute Freunde in seinem Werk verewigt. Die Protagonisten wurden teilweise mit den ‚typischen‘ Zackenfrisuren, die jeglicher Schwerkraft und Windbö trotzen, diverser Manga-Figuren versehen („Yu-gi-Oh!“, „Dragonball“) oder sind den langhaarigen Bishonen nachempfunden („Finder“, „Saiyuki“). Ihre Kleidung ist ein Mix aus hautengen Superhelden-Kostümen und Fantasy-orientierten Gewändern mit einem Hauch Manga-Verspieltheit. Die gehörnte Ariley mutet wie eine Kreuzung aus „Tarot“ und Lilith aus „666“ (Foideval/Tacito) an, Aeshma wirkt wie ihr männliches Gegenstück, halb Herne, halb Anubis, mit einem ziemlich unbequem und unpraktisch erscheinenden Kostüm, und Arileys Handlangerin Minerva sieht aus wie Storm („X-Men“).

Auch die besonderen Fähigkeiten der Charaktere beruhen zweifellos auf bekannten Vorbildern. Beispielsweise finden sich Klauenhände à la Lady Deathstrike („Wolverine“) und Elementarkräfte, die an jene der „Sailor Moon“-Kriegerinnen erinnern.

Die Namen sind überwiegend der römischen, hebräisch-christlichen und zoroastrischen Mythologie entnommen: Aeshma ist eine andere Form von Asmodis; Astaroth und Ahmduzias sind wie Asmodis Dämonen; Kalyostro klingt fast wie Alessandro Cagliostro, ein italienischer Alchemist und Hochstapler; Ariley ist ein Anagramm von Ariel, einem Engel bzw. Shakespeares Luftgeist; Lilith gilt als die Mutter der Dämonen; Minerva ist die römische Göttin der Weisheit usw. Man kann nun spekulieren, ob hier himmlische und höllische Mächte mit umgekehrter Rollenverteilung Pate standen…

Hat man Spaß an dem Thema, an dem Genre-Mix und den farbenfrohen, ansehnlichen Zeichnungen, insbesondere an den knackigen Körpern, sollte man dem Titel eine Chance geben. Edward Winokan zieht den ersten Band von „Kinder der Dämmerung“ in gleichbleibender Qualität und auf unterhaltsame Weise durch. Die kleinen Schwächen vermag man bei seinem insgesamt gefälligen Erstlingswerk verschmerzen – und eine Steigerung ist bestimmt drin!