Stitched 1: Die lebenden Toten (Comic)

Stiched 1
Die lebenden Toten
(Stitched 1-7)
Story: Garth Ennis
Text & Zeichnungen: Mike Wolfer
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Panini, 2013, Paperback mit Klappenbroschur, 180 Seiten, 19,95 EUR

Von Frank Drehmel

Im Osten Afghanistans kämpfen sich drei amerikanische Soldaten zu Fuß durch das unwirtliche Hochland, nachdem sie einen Absturz ihres Kampfhubschraubers mehr oder weniger unbeschadet überlebt haben. Schon bald finden sie ein kleines Lager der Taliban, das nicht nur von Unbekannten geradezu verheert wurde, sondern dessen Kämpfer auch auf bestialische Weise massakriert worden sind.

Und urplötzlich stehen die Amerikaner den Kreaturen gegenüber, die für das Gemetzel verantwortlich zeichnen, zerlumpte Kreaturen, gegen die ihre modernen Waffen vollkommen nutzlos sind und die augenscheinlich von einem geheimnisvollen Fremden mittels einer einfachen, an einer langen Kette geschwungenen Blechdose gesteuert werden. Bevor die drei niedergemacht werden, greifen britische Soldaten eines Sondereinsatzkommandos in den ungleichen Kampf ein und retten ihre Verbündeten im Kampf gegen den Terror.

Im provisorischen Lager der Briten erfahren die Amis mehr über die monströsen Kreaturen und ihre unheimlichen Herren, lernen aber auch in der gleichen Nacht auf die harte Tour, dass sie alle in dieser Gegend nicht sicher sind. Also brechen sie am nächsten Tag gen Westen auf, um Verbündete zu suchen; doch der Marsch wird zu einer Reise ins Grauen, das die meisten von ihnen nicht überleben werden. Dennoch ist der Tod unter den Klauen, Messern und Handsicheln der Monster ein gnädiges Schicksal gegen das, was sie erwartet, wenn sie den Meistern der Untoten in die Hände fallen.

Da sich Ennis’ unlängst bei Panini erschienenes „Crossed“-Comic ob seiner völligen Ideenlosigkeit und der kruden, zotigen Gewalt storyseitig als Totalausfall erwiesen hat, durfte man auf ein weiteres Horror-Szenario aus der Feder des Autors umso gespannter sein, zumal „Stitched“ in den USA von Avatar Press ungewöhnlich stark promoted wurde.

Die Grundplot des Comics basiert dabei auf einem 15minütigen Kurzfilm, bei dem Ennis als Drehbuchautor und Produzent fungierte, der anlässlich der 2011er San Diego Comic-Con einem breiteren Publikum dargeboten wurde und der – nimmt man den Trailer als Maßstab – an Dilettantismus Fan-Produktionen der übleren Sorte gerecht wird.

Sei es, wie es sei. Dieser Grundplot jedenfalls wurde von Ennis und Mike Wolfer so weiterentwickelt, dass dieses erste „Stitched“-Tradepaperback gute Aussichten hat, ein echter Genre-Klassiker zu werden, denn die beiden entwickeln einen Hintergrund von solch unheilsschwangerer Eindringlichkeit, dass sich „The Walking Dead“ demgegenüber wie das Pixi-Buch „Conni geht zelten“ ausnehmen.

Ennis’/Wolfers Zombies durchlaufen nicht nur einen sadistisch-perversen Entstehungsprozess, den Wolfer – wie auch die sonstige Gewalt – geradezu zelebriert, sondern sie gleichen einer Naturgewalt, bei der eben nicht ein freundlicher Klaps auf den verwesenden Kopf mit einem Besenstiel reicht, um ihnen das Unleben auszutreiben, einer Naturgewalt, die mitleidslos, unberechenbar und unbesiegbar über die Protagonisten kommt. Ennis’ Untote werden nicht durch so „menschliche“ Beweggründe wie Hunger oder Mordlust angetrieben, sie sind nicht mehr als bloße Werkzeuge im Dienste von stummen Meistern, deren Anzahl, deren Motive und Herkunft vollkommen im Dunkeln liegen und die zum Lenken der Monster nicht mehr als eine profane Blechdose, ein paar Steine und ein Kette brauchen. Ein onomatopoetioscher Meistergriff ist dabei das „Tnnk … Tnnk … Tnnk … Tnnk … Tnnk … Tnnk“, das die Dosen beim Schwingen machen und das sich regelrecht ins Hirn des Leser brennt.

Wolfers Artwork ist durch die Bank guter, klarer Mainstream, wobei die Proportionen der menschlichen Protagonisten zuweilen leicht verzerrt wirken. Zu echten visuellen Höhenflügen setzt es aber immer dann an, wenn es um Ausweiden, Töten und die Monster selbst geht, was man deutlich am Coverbild erkennt, für das Panini glücklicherweise die US-Hardcover-Version gewählt hat.

Fazit: Trotz aller Vorhersehbarkeit in der „Zehn kleine Negerlein“-Dramaturgie eine atmosphärisch intensive und unheimliche Geschichte, in der insbesondere der Zombie-Mythos à la Voodoo-Carte originell und erfrischend neu interpretiert wird. Horror-Fans werden ihre perverse Freude haben.