Guido Krain: Argentum Noctis – Steampunk 3 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 12. Mai 2013 10:03
Guido Krain
Argentum Noctis
Steampunk 3
Titelbild und Innenillustrationen von Crossvalley Smith
Fabylon, 2013, Paperback, 196 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-927071-71-1 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Was verbindet eine außerirdische Göttin, einen viktorianischen Erfinder, ein dampfbetriebenes Hausmädchen mit französischen Akzent und eine sprechende Ratte miteinander? Wenn Sie sich selbst in ihren kühnsten Träumen keinen Reim auf diese Ingredienzien machen können, dann sollten Sie zu Guido Krains ersten Band einer projektierten Steampunk-Reihe greifen.
Schon in der Anthologie, die die Herausgeberin zum Start ihrer neuen Steampunk-Edition ins Rennen um der Leser Gunst geschickt hatte, konnte man die Bekanntschaft des genialen Erfinders Charles Eagleton und seinem mechanischen Hausmädchen Fifi machen.
In einem etwas diffus bleibenden viktorianischen London geht unser ungleiches Paar, wiewohl misstrauisch von den Augen der Öffentlichkeit beäugt, ganz in ihrem Forschungseifer auf. Dass Charles’ älterer Kollege und Konkurrent Fiddlebury und dessen ebenso bezaubernd-hinreißende wie intelligente Tochter Rachel der Schöpfung selbst auf der Spur sind, ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Zwar leiht sein Konkurrent immer wieder seine Erfindungen aus, ja Rachel, Zeit ihres Lebens durch ein Nervenleiden halbseitig behindert präsentiert sich plötzlich strahlend schön und gesund, doch erst als Charles die Bekanntschaft von mir, Bradley macht, ahnt er, dass etwas Großes, etwas Weltbewegendes passiert ist.
Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle. Vor nicht allzu langer Zeit war ich noch eine kleine Laborratte ohne große Ambitionen – außer der, meinen Napf jeden Tag putzeleer zu fressen. Inzwischen wurde mittels Mondlicht und Silber ein ganz merkwürdiges Fluidum auf mich übertragen, seitdem lese ich die „Times“ und philosophiere mit Charles über die Fragen des Lebens und der Existenz der Götter. Ja ich bin eine Ratte, aber eine Ratte mit Sinn für Kultur!
Als wir bei unserem Vorhaben, die Spukgeister im Silber zu fangen, tief unter Londons Kanälen auf einen uralten Tempel mit einer außerweltlichen Göttin stoßen aber, wird selbst unsere weit gefassterPhantasie von der Wirklichkeit überholt…
Vor einigen Jahren debütierte Guido Krain mit einem High-Fantasy-Roman, dem er einige Zeit später einige weitere, leicht erotisch angehauchte phantastische Texte folgen ließ. Danach wurde es um den Autor ein wenig ruhiger, bevor er kürzlich in den Anthologien des Fabylon Verlages wieder von sich lesen ließ. Nun also legt er sein neuestes Werk auf, das den Leser auf eine Achterbahnfahrt gar aberwitziger Einfälle mitnimmt, ihm markante Figuren vorstellt und mit einer abenteuerlichen Handlung verwöhnt, wie sie schlicht nicht vorherzusagen sind.
Auch wenn das Umfeld, das England zur Ära Königin Victorias, recht unscharf bleibt, außer den Gentlemen-Clubs und Droschken kaum Erwähnung findet, weiß das Buch seinen Leser in den Bann zu ziehen.
Geschuldet ist dies nicht zuletzt den interessanten, so noch nicht gelesenen Einfällen des Autors. Mechanische, dampfbetriebene Hausmädchen, noch dazu auf High-Heels und mit einem süßen, neckenden französischen Akzent versehen, findet man nun wirklich nicht in jedem Steampunk-Roman. Zwar entsprechen die beiden Forscher – hier der positiv gezeichnete Jung-Erfinder, dort der arrivierte, verknöcherte und blasierte Forscher – dem Gewohnten, schon aber bei den weiblichen Hauptrollen fällt Krain aus dem Bild. Das sind intelligente, aufmüpfige Frauen, die sich so gar nicht in das Bild, das wir aus der Zeit vor den Suffragetten haben, passen will. Zwar sind auch diese ein wenig prüde und an Heim und Herd gefesselt, lehnen sich aber immer deutlicher gegen die gesellschaftlichen Normen auf und suchen aktiv und selbstbewusst ihren Platz in der Welt.
Als besonders gelungen erweist sich dann die Anleihe bei Dr. Dolittle. Eine sprechende hochintelligente Ratte, die nicht nur der beste Freund unserer Forschers wird, sondern die sich auch in eine junge Dame aus den besseren Kreisen verliebt – bevor Sie Fragen, die Zuneigung wird auch körperlich erwidert – und mit ihren pointierten, humorvollen Bemerkungen das Geschehen kommentiert, das hat schon etwas.
Auch wenn die typischen Steampunk-Elemente, abgesehen von den Hausmädchen, eher dosiert eingesetzt werden, erweist sich der Plot selbst als tragfähig, bleibt Tempo wie Handlungsbogen straff und unterhält der Roman vorzüglich. Weiter so, Herr Krain!