Vincent Voss: Töte John Bender! (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 12. Mai 2013 09:50

Vincent Voss
Töte John Bender!
Titelillustration von Timo Kümmel
Luzifer, 2013, Paperback mit Klappenbroschur, 258 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-943408-13-3 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Eigentlich hätte es das Wochenende ihres Lebens werden sollen. Eine der angesagtesten Coaching-Firmen hat gerufen, die Konzerne haben viel Geld dafür bezahlt, dass ihre leitenden Mitarbeiter an einem Wochenende auf einer verlassenen dänischen Insel viel über sich und ihre Fähigkeiten, Menschen zu führen, erfahren würden. Zusammen mit fünf Führungskräften machen sich Tom und sein Assistent auf den Trip. Im Gepäck haben sie Selbsterfahrungsfragebögen, Rollenspiele, eine Schatzsuche und, unerwartet und unerwünscht, einen mysteriösen Fremden, der Jagd auf sie und insbesondere Tom macht.
Was eigentlich dazu gedacht war, den Teamgeist zu fördern, das Gespür für den anderen zu verbessern und soziale Kompetenzen zu schulen, entwickelt zunächst behutsam, dann immer dramatischer, eine Aura des Bedrohlichen. Wer ist der Mann oder vielleicht die Frau, der oder die überaus geschickt die Gruppe und ihren Führer unter Druck setzt und was will er oder sie erreichen?
Dass sich die gruppendynamischen Prozesse durch die Bedrohung von außen intensivieren, ist klar, doch wie weit treiben die Ängste die Mitglieder des Seminars, wann wird der Erste dem Druck nicht mehr standhalten? Und wer steckt hinter den Vorkommnissen?
Was Vincent Voss hier in seiner zweiten Veröffentlichung im Luzifer Verlag vorlegt, das ist wahrlich nicht von schlechten Eltern.
Zunächst fußt alles ganz in der Realität. Wir lernen unsere Seminarteilnehmer und die Couches kennen, nach und nach offenbaren sich deren Eigenheiten, werden die Figuren immer plastischer und damit interessanter. Es kommt zu ersten emotionalen Verwerfungen, Animositäten und Sympathien werden dargestellt, die Gruppendynamik nimmt einen breiten Raum ein. Hier hat der Autor die entsprechenden Prozesse sehr genau beobachtet und realistisch herausgearbeitet. Erst im letzten Drittel des Romans nimmt dann die Bedrohung durch den unbekannten Aggressor zu. Hier zeigt sich dann, ebenfalls sehr gut festgehalten, die unterschiedliche, emotionale Stressreaktion der Teilnehmer. Während so mancher von der Angst gehemmt ja gelähmt wird, reagieren andere aggressiv-offensiv. Interessant auch, wie die Bedrohung die Gruppe nicht etwa, wie man annehmen könnte, zusammenschweißt, sondern Unterschiede deutlich macht und zum Bruch der Einheit führt.
Zwar bleibt der übernatürliche Aspekt vernachlässigbar (eine Teilnehmerin hat übersinnliche Vorahnungen), so dass eher ein Thriller mit ein paar wenigen übersinnlichen Elementen vorliegt als ein reiner Horror-Roman, letztendlich ist dies aber unmaßgebend. Sprachlich unauffällig wartet ein spannender Thriller auf den Leser, der sich auf die glaubwürdige und interessante Darstellung der Personen konzentriert.